Zitadelle des Wächters
Gefühl dir gegenüber hegen. Ich habe mich lediglich noch nicht entschieden, was ich tun werde.“
„Was willst du damit sagen?“ Sie sah ihm direkt ins Gesicht, und ihre Miene hellte sich auf.
„Ich will damit sagen, daß ich noch darüber nachdenken muß, ob ich mit dir nach G’rdellia gehe oder nicht.“
Tessa warf die Arme um seinen Hals und begann laut zu lachen. Urplötzlich wurde daraus jedoch ein leises Schluchzen.
„Was ist denn jetzt los?“ fragte er.
„Nichts, gar nichts ist los.“
„Und warum weinst du dann?“
„Ich weine ja gar nicht.“
Varian war nun völlig ratlos. „Du weinst nicht?“
„Sei jetzt ganz still, Varian, und halte mich fest.“
„Aber ich verstehe gar nicht, was eigentlich vor sich geht. Und ich würde gerne …“
„Varian bitte … hör zu, du hast mich einfach sehr glücklich gemacht. Und laß es damit gut sein.“
„Was soll ich getan haben?“
Tessa kicherte. „Jetzt sei nur einfach still“, sagte sie. „Und nimm mich.“
Und das tat er.
Sechs
Dreieinhalb Wochen später fanden sie den Wächter.
Eigentlich war es der Sucher, der den antiken Komplex zuerst entdeckte. Und der wies auch nur ein vage umgrenztes Gebiet elektromagnetischer Tätigkeit aus. Die Gefährten im MTW konnten daraus noch nicht schlüssig ersehen, daß dies wirklich die Zitadelle des Wächters war – bis sie dann schließlich in seine Festungsanlagen gelangten. Und die allein hätten schon als Erfolg genügt.
Nach der Karte lag dieser Ort am östlichen Ende der Eisenfelder. Er grenzte im Nordosten an den Carrington-Höhenzug, der wiederum die südliche Begrenzung zum Baadghizi-Tal bildete.
Stoor war so aufgeregt, daß er keinen anderen Gedanken mehr fassen konnte, als den einströmenden Signalen zu folgen und zu ihrer Quelle vorzustoßen. Das würde der Beweis für die endlose Kette seiner abenteuerlichen Geschichten sein. Varian kam jetzt zu der Überzeugung, daß Stoor mehrere hundert Jahre alt sein mußte, um nur die Hälfte aller Geschichten erlebt zu haben, deren Authentizität er für sich in Anspruch nahm.
Ohne zu mucken fuhr der MTW weiter, angetrieben von dem Methankonverter, der Treibstoff aus menschlichen Exkrementen gewann. Die Solarzellenbatterien versorgten die Mannschaft mit Wärme und Energie. Die Maschine war das Vermächtnis der Genialität und des hohen Standards an technischem Know-how, über den die Erste Zeit verfügt hatte. Dennoch wußten die Insassen, daß der MTW eher als Spielzeug gelten mußte, wenn man ihn mit den Wundern der Wächterzitadelle verglich, für die schon Kartaphilos, der Roboter, ein beredter Beweis gewesen war.
Varian hatte Widerwillen gespürt, Tessa über ihre wahren Gefühle angesichts der Entdeckung des Wächters zu befragen. Was auch immer sie fühlen mochte, sie verbarg es unter einer gelassenen, schlichten Miene, die aber ihren Wunsch Lügen strafte, bei der Bewältigung der anstehenden Aufgabe zu helfen.
Die vier stellten auf der Karte eine geeignete Route durch die Ruinen der Eisenfelder zusammen und waren fest davon überzeugt, endlich am Ziel zu sein. Varian hatte während einer Vollmondnacht draußen in den Eisenfeldern die Beobachtung gemacht, daß hier mehr als eine Schlacht geschlagen worden war. Anscheinend hatten hier einige gewaltige Explosionen oder andere verheerende Umwälzungen stattgefunden, bei denen tiefere Bodenschichten freigelegt wurden. Manchmal waren sie über ein Gebiet gerollt, wo die zerschmetterten Überbleibsel der Ersten Zeit weniger offen zu Tage traten, wo tiefe Schnitte in die Halbwüste geschlitzt waren und marmorierte Streifen vergangener Schichten offenlegten. An manchen Stellen waren menschliche Gebeine so dick und fest in den Fels gepreßt, daß dieser wie ein weiß getünchter Brombeerstrauch aussah. Hatte sich hier ein Massengrab befunden? Oder eine Massenhinrichtungsstätte? Waren es die Überreste einer einzigartig zu nennenden Schlacht, deren Ablauf man sich nur in schwärzesten Alpträumen vorstellen konnte? Ein Geheimnis, das wohl auf immer verlorengegangen war, wie die vier befürchteten, und das nur noch tiefer in die Schatten anderer Geheimnisse führte.
Als sie der Signalquelle immer näher kamen, stießen sie auf andere merkwürdige Dinge. Zwischen den verrosteten Überbleibseln des Krieges, zwischen den verstreuten Knochen von Menschen lagen die Gebeine anderer Wesen. Obwohl man nur wenige intakte Skelette entdecken konnte, waren sie in der Lage, die Größe dieser
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