Zitronentagetes
Staatsanwaltschaft seinen Antrag auf frühzeitige Haftentlassung prüfen wird. Wenn alles gut geht, und George scheint offenbar davon überzeugt, könnte er Weihnachten bereits zu Hause sein.«
»Hat er nicht begriffen, dass ihr euch getrennt habt?«
»Doch, schon. In jedem seiner Briefe bittet er mich um Verzeihung.«
Amy stieß ein Schnauben aus.
»So einfach ist das alles nicht«, gab Jenny zu bedenken.
»Was zum Geier soll denn das heißen?«
»Das Haus gehört immer noch ihm. All seine Sachen sind hier. Wo soll er sonst hin? Er hat niemanden mehr.«
Für Amys Geschmack hörte sich ihre Freundin jetzt ein wenig zu melodramatisch an. »Was ist mit Marc?« Als sie die Frage stellte, bereute sie sie bereits. Die blöde Bemerkung ließ nun die stets liebenswürdige Jenny schnauben. Vater und Sohn Cumberland befanden sich seit Jahren im Kriegszustand. Daran würde eine vorzeitige Entlassung aus dem Gefängnis aufgrund guter Führung auch nichts ändern. George könnte noch so viel Reue zeigen, Marc war stur wie ein Maulesel. Amy kannte ihn gut genug, sie waren seit Jahren ein Paar. Er würde nie nachgeben, geschweige denn einen Strich unter die Vergangenheit ziehen und seinem Vater die Hand reichen. Sie war auf seinen Gesichtsausdruck gespannt, sobald sie heute Abend mit der Neuigkeit herausplatzen würde.
*
Kevin beneidete Ryan. Er konnte jeden Tag auf einer Ranch leben, reiten, am Steg angeln, schwimmen und all so was. Da gab es ganz sicher keine Langeweile.
Eine Hupe ertönte. Josh, sein Baseballtrainer, der neben Ryan wohnte, wollte ihn nach Hause bringen. So zumindest war es mit Mom abgesprochen. Nach dem Baseballtraining hatte Josh ihn auf der Nachbarranch abgesetzt, sodass Ryan und er noch ein wenig Zeit gemeinsam verbringen konnten. Meistens fuhr er dann mit seinem Fahrrad zurück, doch hin und wieder nahm ihn auch jemand der Familie O’Brian oder einer der Tanners mit. Joshs Frau, Dr. Tanner, hatte heute Spätdienst und ihr kleiner Sohn gab keine Ruhe. Er wollte, bevor er ins Bett musste, unbedingt seiner Mom Gute Nacht sagen. Daher hatte sein Dad vorhin angerufen und gefragt, ob er Kevin mit in die Stadt nehmen solle. Eigentlich war Kevin froh darüber gewesen. So waren ihm noch ein paar Minuten mehr mit Ryan vergönnt. Aber die Zeit war um. Erneutes Hupen – ungeduldiger, ließ ihn aus der Scheune treten.
»Bis morgen«, rief er Ryan zu und ging gemächlich auf den Van zu.
Hinter dem Küchenfenster bewegte sich etwas. Dr. Svenson, Ryans Pflegemutter, winkte ihm zum Abschied zu. Er öffnete die Wagentür und hievte sich auf den Beifahrersitz.
»Das dauert.« Josh verdrehte die Augen. »Alles okay mit dir?«
»Klar.«
»Na dann, schnall dich an, Sportsfreund .«
»Anschnallen, anschnallen«, echote Lucas von seinem Kindersitz aus.
Kevin wandte sich um. »Weiß ich selbst.«
»Stimmt nicht.«
»Wenn ich’s doch sage .«
Plötzlich veränderte sich das Gesicht des Dreijährigen und er nestelte an seiner Hose herum. »Ich glaub, der muss mal.«
Sofort drehte sich Josh um. »Musst du Pipi?«
Lucas schüttelte den Kopf und wich dem Blick seines Daddys aus.
»Lu-u-uc?«
Endlich hob der Kleine sein Gesicht.
»Musst du Pipi?«
»Nö.« Seine Unterlippe zitterte leicht.
»Sag, dass das nicht wahr ist.« Genervt löste Josh den Gurt und stieg aus. Als er sich über seinen Sohn beugte, genügte ein Blick. Die Hose wies dunkle Flecken auf.
Kevin stieß ein belustigtes Wiehern aus.
»Was gibt es da zu lachen?« Josh fixierte ihn mit finsterem Blick.
»Da darf man nicht lachen«, zwitscherte Lucas.
Kevin musste nun erst recht losprusten.
»Ab nach Hause«, befahl Josh, stieg ein und lenkte den Wagen statt auf die Straße zurück zu seinem Anwesen.
»Fahren wir jetzt nicht zu Mommy?«, fragte Lucas mit dünnem Stimmchen.
»Nö, bestimmt nicht«, feixte Kevin.
Sofort begann der Kleine zu plärren. »Ich will zu meiner Mo-o-om. Mommy … Mommy.«
»O Mann – der geht ja ab wie Schmidts Katze.«
Josh brachte den Wagen zum Stehen.
»Ich will zu Mo-o-ommy«, brüllte Lucas erneut.
Als Josh den Jungen aus dem Kindersitz hob, begann der Kleine zu strampeln.
»Mommy.«
»Jetzt ist es genug! Du gehst noch mal Pipi machen …«
Ungerührt ertönte erneut Lucas Sirene. »Ich will zu meiner Mommy.«
Aufgeschreckt von dem Lärm erschien das Kindermädchen in der Haustür. Es erfasste sofort die Lage und streckte ihre Arme aus. »Ich mach das schon, Mr. Tanner. Geben Sie ihn
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