Zitronentagetes
Fisch ist ausgezeichnet heute.«
»Danke für die Empfehlung.« Josh küsste flüchtig ihre Wange.
Marc streifte kurz ihr Gesicht zur Begrüßung.
»Hast du schlechte Laune?«
»Warum?«
»Ich kenne dich, schon vergessen? Was immer es ist, es wird sich bald wieder einrenken. Kleine Aufmunterung gefällig? Ich erhielt gestern einen netten Brief von meiner ehemaligen Mitschülerin Carolyne. Sie traf kürzlich eine andere Klassenkameradin und beide gerieten ins Plaudern. Es wird ein Klassentreffen geben. Jetzt fragen sie an, ob ich Interesse hätte und ihnen bei der Organisation helfen könnte. Schließlich wohne ich noch vor Ort.«
»Carolyne?«, fragte Josh arglos.
»Tu nicht so, als wüsstest du nicht genau, von wem ich spreche. Sie ist die Frau, die dir deine Jungfräulichkeit raubte.«
Josh stöhnte in Anbetracht ihrer Unverblümtheit.
Immerhin entlockte er ihm damit ein Grinsen. »Wann soll das Klassentreffen stattfinden?«
»Och, erst im Frühling. Um so etwas vorzubereiten, dauert es eine Weile. Allein wenn ich daran denke, die Adressen aller herauszufinden.«
»Gut. Nenn mir rechtzeitig den Termin. Ich werde nicht in der Stadt sein«, sagte Josh.
Angie lachte erheitert auf. »Was genau befürchtest du denn?«
Er blieb ihr eine Antwort schuldig.
»Übrigens, Vicky kommt am Sonntag nach Hause.«
Victoria, Joshs andere Schwester, lebte mit ihrer Familie abwechselnd ein paar Monate in St. Elwine und in Frankreich. Ihr Mann besaß dort ein Weingut.
»Sie bleiben bis Januar«, fügte Angelina hinzu. Dann sah sie auf ihre Uhr. »Macht’s gut, ich muss leider los.«
Als sie gegangen war, brachte Marc endlich die Sprache auf seinen Vater.
Josh versuchte, ihn zu beruhigen, indem er darauf verwies, dass solche Angelegenheiten sicher sehr gründlich geprüft würden.
*
Flo hatte den ersten Schock überwunden und fühlte sich wieder etwas besser. So schnell würde sie nicht aufgeben. Das wäre ja gelacht. Als Erstes kaufte sie sich eine Zeitung und ging die Wohnungsinserate durch. Eine vielversprechende Anzeige markierte sie mit einem Rotstift. Ihr Exmann hatte den Unterhalt doch noch überwiesen. Zwar nicht die vereinbarte Summe, aber immerhin. Sicher war er nur in einen vorübergehenden Engpass geraten. Wer verstand das besser als sie?
Als Nächstes verschloss sie alle Sorgen in einer Gedankenschublade und zog sich für das Konzert um. Ihre Freundin Charlotte aus der Quiltgruppe hatte ihr vor ein paar Tagen eine Freikarte für ein Rockkonzert zugesteckt. Selbstredend, dass es sich bei dem Rocksänger um Tyler O’Brian, Charlottes Mann, handelte. Zunächst hatte Flo dankend ablehnen wollen. Das Mitleid anderer ertrug sie nicht, und außerdem besaß sie Stolz. Was sie sich nicht leisten konnte, das ging eben nicht. Anderen Menschen erging es nicht besser. Dann aber erklärte Charly: »Ich will, dass wir alle dabei sind, um ihm den Rücken zu stärken .«
Als Flo sie ein wenig verständnislos anblinzelte, fügte sie hinzu: »Ihn plagen Selbstzweifel.«
»Du meinst die Talkshow und all die Gerüchte, die in der Öffentlichkeit grassieren?«
»Genau. Er hat seitdem kein einziges Konzert gegeben und sich aufs Komponieren konzentriert. Aber ich weiß, dass er das Singen und den Kontakt zu seinen Fans braucht.«
»Nun, dann bin ich natürlich dabei. Ich bin seit Jahren ein Fan von ihm. Schon viel länger als du.«
»Was du nicht sagst.« Charlotte Svenson lächelte.
Zusammen mit einem kleinen Fanclub aus St. Elwine bestieg Flo den gemieteten Bus und fuhr nach Baltimore. Natürlich ließ sich auch ihre Chefin aus dem Schönheitssalon nicht nehmen, dabei zu sein. Charlotte hingegen hatte ihren Mann begleiten wollen, und war schon vor Ort. Die Frage um eine Aufsicht für Kevin hatte sich rasch erledigt. Joshs Mutter organisierte für ihre Enkeltöchter und deren Freundinnen ein Prinzessinnenfest. Da sie dringend Hilfe von zwei kräftigen Jungen brauchte, hatte sie Kevin und seinen Kumpel engagiert, nicht ohne ihnen einen Lohn in Aussicht zu stellen. Daraufhin hatten sich die Burschen nicht lange bitten lassen.
Plötzlich kam Floriane ein Gedanke. Charly bezweckte mit dem Ticket vielleicht nicht ausschließlich, Tyler den Rücken zu stärken. Bei ihr wusste man nie so genau, woran man war. Na, wenn schon, heute war ein viel zu glücklicher Tag, um alle Eventualitäten abzuwägen. Nimm an, was das Leben dir bietet. Schließlich weiß man nie, was als Nächstes passiert. Als sie aufsah,
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