Zitronentagetes
streichelten ihre Seele, ihr Herz. Er brauchte nichts mehr zu sagen, und das tat er auch nicht. Die Bluse fiel zu Boden, kurz darauf der BH, den er ihr auf dem Rodeo Drive in Los Angeles gekauft hatte.
Richard Gere hielt sie an sich gepresst, als wäre sie die begehrenswerteste Frau auf der Welt und nicht etwa Floriane Usher aus dem Havelland in Deutschland. Ihre Finger schoben sich unter sein Seidenhemd, seine Haut darunter fühlte sich wunderbar an. Sie roch teures Rasierwasser, und ihre Gedanken lösten sich auf wie Frühnebel an einem Sommertag. Noch nie war sie so geküsst worden, und sie genoss alles, was er mit ihr tat. Mutig griff sie nach seiner Gürtelschnalle und zerrte daran. Unter dem Reißverschluss spürte sie seine Erregung. Augenblicklich begann es in ihrem Bauch zu flattern. Er hob sie hoch, sie schlang die Beine um seine Hüften. Richard drang in sie ein und stöhnend kam sie zum Höhepunkt.
»Tag, Mrs. Usher.«
Flo fuhr zusammen. »Hallo, Mr. Hobbs.«
Der Mann schnappte sich eine der Einkaufstüten und hielt ihr die Tür auf.
»Danke.«
»Spätschicht heute?«
»Ja, richtig.« Sie kramte in ihrer großen Umhängetasche nach dem Schlüssel. »Stellen Sie sie einfach hier ab, den Rest schaffe ich schon. Vielen Dank und schönen Gruß an Ihre Frau.«
Er winkte ihr zu und verschwand um die Ecke.
Flo betrat die Küche und stellte ihre Einkaufstüten auf dem Tisch ab. Den Kassenbon legte sie sorgfältig in ihr Haushaltsbuch zu den anderen. Morgen würde sie die gesammelten Belege vom August addieren, doch sie sah kaum noch einen Sinn in dieser Gewohnheit. Schließlich wusste sie längst, dass sie Monat für Monat gerade so über die Runden kam. Das war nicht ihre Schuld, soviel hatte die Führung eines Haushaltsbuches sie immerhin gelehrt. Im Grunde genommen brachte sie diese Erkenntnis aber auch nicht weiter.
Flo versuchte, die Traurigkeit, die sich ihrer schon seit dem frühen Morgen bemächtigte, abzuschütteln. Es gelang ihr nicht. Im Gegenteil, sie begriff nur allzu gut, dass der heutige Tag lediglich die Spitze eines Eisberges darstellte, der sich seit geraumer Zeit anschickte, ihr bescheidenes Leben zu sabotieren. Zunächst war da das Gespräch mit Martha gewesen, die ihr berichtete, dass sie am Ende des Sommers den Pub schließen und verkaufen würde. Somit war klar, dass Flos Nebenjob sich erledigte. Möglicherweise könnte sie bei dem Nachfolger arbeiten, wollte Martha ihr ein wenig Hoffnung machen. Flo gab sich keinen Illusionen hin. Bis der renovierte, ein Konzept erstellte und eröffnete, vergingen bestimmt zwei, drei Monate, in denen es keine zusätzlichen Dollars für sie und Kevin geben würde. Bitter, umso mehr, weil Anfang dieses Jahres der alte Doc Svenson gestorben war. Sie hatte ihm oft Gesellschaft geleistet und seinen Geschichten über Pflanzen gelauscht, die sich fest in einem verborgenen Winkel seines Gehirns eingenistet hatten. Zum Schluss nahm die Demenz eine erschreckende Form an. Niemand wusste wohl so viel über Blumen, Ziersträucher und Rasenpflege wie Johann Svenson. Jedenfalls niemand, den Flo kannte. Seine Enkelin Charlotte hatte ihr für die Geduld, die sie im Umgang mit dem alten Mann aufgebracht hatte, auch immer wieder etwas zugesteckt. Flo erinnerte sich noch genau an das schlechte Gewissen, das sie anfangs befiel. Sie bekam Geld für etwas, dass sie aus reiner Gefälligkeit tat. Die Gespräche mit dem alten Zahnarzt, dessen große Leidenschaft sein Garten war, machten ihr Spaß.
Seit zwei Monaten blieb die Unterhaltszahlung von Val aus. Zunächst waren die Überweisungen nur unpünktlich erfolgt, dann unregelmäßig und seit sechs Wochen saß sie quasi auf dem Trockenen. Warum, zum Teufel, rief ihr Exmann deswegen nicht mal an? Sie wollte nicht wieder den ersten Schritt tun müssen. Bis zum Ende der Woche würde sie noch warten, aber dann war Schluss mit lustig. Immerhin ging es hier nicht allein um sie, sondern vor allem um Kevin.
Als hätten all diese Tatsachen nicht schon genügt, zog sie gerade einen Briefumschlag aus dem Briefkasten. Sie starrte auf den Absender und überlegte. Warum schrieb ihr der Vermieter? Na gut, sie war ein wenig überfällig mit der Miete, aber bisher hatte er es auch toleriert. Dass sie oft knapp bei Kasse war, wusste er schließlich. Mit zitternden Händen riss sie das Kuvert auf und überflog die Zeilen. Sie musste sie zweimal lesen, um die Bedeutung zu begreifen. Bis Ende des Jahres musste sie raus aus der Wohnung.
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