Zodius 01 - Ein Sturm zieht auf
zurücklegte. »Ich übernehme die ehrenvolle Aufgabe, sie Powell zu überbringen.« Er schnappte sich die Kiste mit den Behältern und verschwand im Wind.
Caleb fluchte und taxierte Michael. »Ich kümmere mich um Adam. Und Powell.« Er verschwand.
Michael verspürte nicht den Wunsch, ihm nachzugehen. Er hoffte bloß, dass Caleb wirklich so gut vorbereitet war, wie er behauptete, wenn sich Michael Adam eines Tages vorknöpfen musste. Und dieser Tag würde eher früher als später kommen. Das GTECH-Serum hatte etwas mit ihm angerichtet, ihn in ein Monster verwandelt. Caleb war ein guter Mann, einer, der die Regeln befolgte. Er brauchte jemanden wie Michael, einen, der Regeln brach.
Er betrachtete die Blutlache zu seinen Füßen, das Blut des Jungen. Der Anblick war ihm nur allzu vertraut. Er redete sich ein, dass es unvermeidlich gewesen war, all die Leben auszulöschen, die er genommen hatte. Er war nicht wie sein Vater, der Waffen ins Ausland verschachert hatte, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wer dadurch sein Leben verlor. Oder wie seine Mutter, die dessen Taten mit finanzieller Sicherheit und Fürsorge rechtfertigte. Die ihn hasste, weil er es gewagt hatte, ihre perfekte kleine Welt ins Wanken zu bringen. Er war auch nicht wie Adam, der nur zum Vergnügen tötete. Michael hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Leben zu retten, was mitunter bedeutete, Leben nehmen zu müssen. Das GTECH-Serum hatte keinen Einfluss auf seine Entscheidungen oder auf Calebs. Caleb und Michael waren nicht mit X2 infiziert – Adam hingegen schon.
Es hatte nichts zu bedeuten, dass Michael und Adam spezielle Gaben entwickelt hatten: sein eigenes Vermögen, sich mit dem Wind in Verbindung zu setzen, und Adams, mit Wölfen zu kommunizieren. Michael ballte die Fäuste an den Seiten. Er war nicht wie Adam, verdammt. Du bist aber auch nicht wie Caleb , schien der Wind zu flüstern.
In diesem Moment verschwand Michael im Wind, ohne sich bewusst dafür entschieden zu haben. Der Wind schien sich immer öfter mit ihm zu verständigen, fast mit ihm zu reden. Er wusste sogar, wohin Michael gehen wollte. Michael war sich im Klaren darüber, dass er der Illusion, immer noch ein Mensch zu sein, entfliehen musste. Bisweilen fragte er sich sogar, ob er überhaupt je ein Mensch gewesen war.
Anderthalb Stunden später lehnte Michael an der hinteren Wand von Las Vegas’ Coyote-Ugly-Version, die bekannt war für laute Musik und sexy Frauen in knappen Hotpants und Cowboystiefeln, von denen einige auf dem Bartresen entlang der Tischreihen tanzten.
Er hatte keinen Schimmer, warum er immer noch hier war und so tat, als würde er die Tänzerinnen beobachten, statt wie sonst nach einem Einsatz eine Frau aufzureißen – oder zwei oder drei. Oder warum er sich ständig ein Wiedersehen mit Cassandra ausreden musste, da er doch genau wusste, dass ein Treffen keine gute Idee war. »Was kann ich für dich tun, Michael?« Die Einladung in Becky Lees süßem Südstaatenakzent war unüberhörbar, während sich die Rothaarige in den Zwanzigern von der Seite an ihn heranmachte und dabei die drallen Brüste und den geschmeidigen Körper an ihn drückte. Sie wusste genauso gut wie er, aus welchem Grund er hier war. Als sexuell aufgeschlossene Frau, die willens war, so ziemlich alles auszuprobieren, sich aber auf keine Verpflichtungen einlassen wollte, war Becky Lee das perfekte Lustobjekt für Michael. Nach einem Einsatz hatte er schon oft ihre Nähe gesucht.
Während Michael sie musterte und die Augen über ihr kurviges, weit ausgeschnittenes Dekolleté wandern ließ, wartete er auf den Rausch des schieren Urverlangens, das ihn nach weiblichem Trost suchen ließ und die Frauen offenbar anlockte. Seit er GTECH geworden war, wurde dieser Rausch mit jeder Heimkehr schlimmer.
Doch er empfand nichts. Absolut gar nichts. Allein der Gedanke daran ließ Michael mit den Zähnen knirschen. Was war bloß mit ihm los, verdammt?
Als er den Kopf in den Nacken legte und sein Bier hinunterspülte, wünschte er sich, dass sein GTECH-Stoffwechsel den Alkohol nicht schon beim Schlucken praktisch abbauen würde. Ein Saufgelage ohne die dazugehörige Benommenheit war witzlos und erinnerte ihn zudem nur an das, was er verdrängen wollte: kein Mensch zu sein. Allerdings half Sex beim Verdrängen – er gab ihm das Gefühl, am Leben zu sein, wirkte befreiend. Frust bahnte sich einen Weg durch seine Eingeweide, worauf Michael Becky packte und mit sich zog. Er würde schon dafür
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