Zoë
Kaninchenjagd gegangen. Er sehnte sich zurück nach jenen Tagen, nach der Zeit, bevor der Grobian und seine Frau auf ihrer knatternden Maschine auf zwei Rädern heranröhrten und in das silberne Haus gezogen waren. Der Grobian verbrachte seine Zeit damit, zwischen dem Haus und der Schnellstraße hin- und herzufahren und sich um einen lärmenden Apparat zu kümmern, den er weiter oben im Wald gebaut hatte. Bei der Arbeit sang er lauthals, und zwischen den Liedern trank er aus einem Krug, bevor er weiterbastelte und das Feuer unter diesem seltsamen Ding schürte. Es sah höchst merkwürdig aus, mit spiralförmigen Metallfedern, und stieß Wolken aus Rauch und Dampf aus.
Während der Grobian fort war, fegte und putzte die Frau das silberne Haus. Sie verstreute Brotkrumen für die Vögel und legte der Katze kleine Stücke Fleisch oder Fisch hin. Ihre Arme und Beine waren so zart wie die eines Rehkitzes, doch ihr Bauch wuchs im Laufe des Sommers gewaltig, und ihr anmutiger Gang wurdezu einem Watscheln. Aber obwohl sie so dick wurde, arbeitete sie schwer. Einen überschwappenden Eimer nach dem anderen brachte sie vom Brunnen ins Haus, später schleppte sie einen schweren Korb zu einer Leine, die sie zwischen Bäumen gespannt hatte, und hängte nasse Sachen zum Trocknen auf. Je mehr ihr Bauch wuchs, desto seltener kehrte der Mann zu ihr zurück, obwohl sie an den Abenden auf der Türschwelle saß, als wartete sie auf ihn. Manchmal sang sie mit ihrer hohen, sanften Stimme.
Wenn der Grobian aber doch zurückkam, dann schwankte er. Er redete laut, hänselte die Frau, schwenkte sie wild herum, bis er schließlich zu Boden sank, wo er schlief wie ein Toter. Die Frau nahm eine Decke und breitete sie über ihn, wo er liegen geblieben war. Am nächsten Morgen schien er ein anderer. Er brachte der Frau Essen und Trinken, lachte nervös, wenn er ihr half, Wasser vom Brunnen zu holen oder Wäsche aufzuhängen. Er umarmte sie, lachte und scherzte, legte ihr einen Finger unters Kinn, damit sie ihm ins Gesicht sah und zuhörte. Sie antwortete mal mit einem Nicken, mal mit leichtem Kopfschütteln, manchmal mit einem ängstlichen Lächeln.
In der Nacht, als der Junge zur Welt kam, hörte der Mann sie nicht; er lag schnarchend neben seinem Apparat. Die Frau schrie auf und taumelte die Stufen hinunter, dabei hielt sie sich den Bauch. Stundenlang krümmte sie sich auf der nackten Erde, mühte sich, keuchte, drehte sich von einer Seite auf die andere, rief laut, doch niemand kam. Kurz vor der Morgendämmerung glitt der Junge zwischen ihren Beinen heraus. Er kam mit den Füßen zuerst, war blutverschmiert und schrie, so laut seine winzigen Lungen es vermochten. Die Frau atmete schwer, dann lag sie völlig still da, mit weit offenen Augen. Der Junge trat um sich, ballte die blutigen Fäuste und jammerte.
Bei Sonnenaufgang erschien der Mann. Sein Gesicht war nochganz verquollen vom Schlaf. Wie im Traum nahm er das Bild wahr, das sich ihm bot. Er kniete nieder neben dem, was seine Familie gewesen war, und weinte in einem heiseren Bariton zu den durchdringenden Schreien des Jungen. Er wiegte den untröstlichen Jungen in der Beuge seines Ellenbogens, trennte die Schnur durch, die den Kleinen mit seiner Mutter verband, und schloss der Frau die Augen mit dem starren Blick.
9
Gleich nachdem sie fort war, meine angebliche Großmutter, steckte ich mir ein paar Bücher in den Rucksack und zog los, über die Brücke hinaus in die nördlichen Wälder.
Ich wusste nicht, was ich von ihrer Behauptung halten sollte. Die Sozialarbeiterin hatte Henry und mir alles erzählt, was sie vom Leben meines Vaters wusste. Seine unverheiratete Mutter (Maud Booker, wenn man ihr glauben konnte) hatte ihn weggegeben, er war in ein Kinderheim der Baptisten gekommen und zur Adoption freigegeben worden. Niemand hatte daran gezweifelt, dass er schnell eine Familie finden würde, doch dann entdeckte man bei ihm einen Herzfehler, und ein krankes Baby wollte niemand haben. Also wuchs Daddy bei den Baptisten auf, bis er mit fünfzehn abhaute. Immer wieder wurde er bei Diebstählen erwischt und bekam Ärger, und schließlich wurde er eines Nachts, als er zu Fuß auf einer Straße ganz in der Nähe unterwegs war, von einem Auto überfahren. Der Täter beging Fahrerflucht.
Sonst wusste ich nichts von ihm, außer dass er lange genug mit Mama zusammen war, um mich zu machen, und dass er länger tot neben ihr gelegen hatte als jemals, solange er lebte.
Wenn Maud Booker die
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