Zoë
scheuerte, bis meine Hände wund waren.
Mit alten Zeitungen und einem Schraubenzieher dichtete ich die offenen Stellen zwischen den Balken ab. Ich schrubbte den Boden im Haus und auf der Veranda, bis das blanke Holz zu sehen war, und beseitigte die Spinnweben, die voll toter Insekten von den Dachbalken hingen. Kissen, Bettdecken und die Sitzpolster aus dem Wohnwagen schleppte ich zu einer alten Wäscheleine und klopfte alles gründlich aus, damit Staub und Mäusedreck herausfielen, wobei ich mir die Seele aus dem Leib hustete und nieste. Meine alten T-Shirts eigneten sich bestens als Putzlumpen, und um die empfindlichen Schätze auf den Wandborden abzustauben, borgte ich mir einen von Henrys Pinseln aus. Die kleinen geschnitzten Tiere aus der Zigarrenkiste stellte ich auf einem der Borde auf, zusammen mit dem Foto dieser Mutter von irgendwem, damit sie ein bisschen Gesellschaft hatte. Trotzdem sah sie noch einsam aus. Wer war sie, fragte ich mich. Was für ein Leben hatte sie gehabt, und wessen Mutter mochte sie gewesen sein? Sie sah traurig aus, das ja, aber sie hatte auch etwas Zärtliches an sich, und ich stellte mir vor, dass sie voll mütterlicher Zuwendung und liebevoller Worte war. Ob sie all diese Schätze für ein Kind gesammelt hatte, ein Kind wie mich? Und die Schnitzereien, hatte sie die selbst angefertigt? Was war aus ihr und ihrem Kind geworden, und wieso hatten sie diese Schätze zurückgelassen?
Über all das dachte ich nach, während ich putzte und hämmerte und mir die Hütte nach meinem Geschmack zurechtmachte.Nie zuvor hatte ich ein Zuhause ganz für mich besessen. Sicher, dass ein zugiger Schuppen, der aus einem einzigen Raum bestand und nicht einmal eine Toilette hatte, kein wirkliches Heim darstellte, war mir auch klar, trotzdem machte die Hütte mich glücklich. Sie war mein Zuhause, egal wie bescheiden sie war. Ein Zuhause, wie es mir gefiel.
Die alte Asche aus dem Kamin verstreute ich zwischen dem Unkraut im Garten. Vielleicht würde ich im Frühjahr den Versuch machen, Gemüse oder Blumen anzupflanzen. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass ich durch den Schornstein ein rechteckiges Stück Himmel sehen konnte, machte ich probeweise ein Feuer. Als der Rauch abzog, wie er sollte, legte ich mehr Holz vom Stapel draußen auf, um die Hütte zu wärmen. Bei Henry hatte ich ein altes Fenstergitter gefunden, das ich vor dem Kamin aufstellte, damit keine Funken in den Raum flogen. Die Sturmlampe füllte ich mit Lampenöl, das ich unter der Spüle in Henrys Küche gefunden hatte, das farbige Fensterglas wienerte ich mit Lappen und Wasser aus dem Brunnen, das ich in einem alten Kochtopf über dem Feuer heißgemacht hatte, bevor ich Seife darin auflöste. Das Glas funkelte prächtig in vielen Farben, und die Öllampe gab genug Licht, dass ich lesen und in mein nagelneues Tagebuch schreiben konnte, das mir Ms Avery geschenkt hatte.
Als der erste Schnee geschmolzen war, hatte Ms Avery nämlich beschlossen, mir ein eigenes Projekt zu geben, an dem ich arbeiten sollte, und so konnte ich mich im Schreiben üben. Jede Woche würde ich eine neue Aufgabe auf meinem Pult finden, erklärte sie mir, dazu einige Bücher, die ich lesen sollte. Sie hatte sogar meinen Tisch ganz nach hinten gestellt, vor die Fenster, damit ich auch während des Unterrichts schreiben konnte, wenn ich den Stoff bereits beherrschte. Jetzt musste Hargrove sich völlig verrenken, wenn er mich weiter anglotzen wollte.
Es stellte sich heraus, dass Ms Avery auch einmal den Wunsch gehabt hatte, Schriftstellerin zu werden, aber dann hatte es ihr an der nötigen Disziplin gefehlt. »Du musst viel Zeit allein mit dir verbringen«, sagte sie, »und du musst das, was du geschrieben hast, immer wieder durchgehen und überarbeiten. Ich hatte immer gewollt, dass gleich mein erster Entwurf brillant sein sollte, aber das funktioniert so nicht. Das Schreiben gefiel mir nicht so gut wie die Vorstellung, etwas geschrieben zu haben .«
Es gefiel mir, wie sie das sagte, das und andere Dinge. Wenn wir uns unterhielten, schien es mir, als wären wir seelenverwandt. Einmal hätte ich ihr fast von der Hütte in den nördlichen Wäldern erzählt, von den Schätzen auf den Borden und der traurigen Frau auf dem Foto, aber ich war noch nicht so weit, darüber zu sprechen, und Ms Avery war nicht neugierig. Doch vielleicht hatte sie etwas von Bessies Fähigkeit, Gedanken zu lesen, denn manche Dinge schien sie auch so zu verstehen. »Woher wussten Sie, dass
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