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Zoë

Titel: Zoë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Carmichael
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Wahrheit gesagt hatte, dann hatte sie ihn nicht lange bemuttert. Ich fragte mich, ob sie es wohl bereute, dass sie ihn damals weggegeben hatte, ob sie deswegen gekommen war. Doch selbst wenn für sie sprach, dass sie Jäger von ihrem Grundstück vertrieb und mir Medizin für den Kater gab,so konnte ich mich doch nicht entscheiden, ob ich sie besser kennenlernen wollte oder nicht. Bis ich eine Entscheidung getroffen hatte, würde ich von ihrem Besuch erst einmal nichts sagen.
    Als der Oktober zu Ende ging und der November kam, ging ich zum Nachdenken am liebsten in den Wald und die Hütte. Was die Schule betraf, hatte ich nachgegeben, und als das geklärt war, ließ Henry mich weitgehend machen, was ich wollte. Alleinsein lag ihm ebenso wie mir. Ich bezweifelte, dass Henry gewusst hätte, was er mit mir anfangen sollte, wenn ich eins dieser Kinder gewesen wäre, die ständig klammern und Unterhaltung brauchen – vielleicht hätte er einen großen Fernseher gekauft und ein DVD-Gerät und mich davorgesetzt, solange er arbeiten wollte. Allein arbeiten zu können war ihm offenbar so lebensnotwendig wie Atmen, so wie für mich das Lesen und Schreiben.
    Abends aßen wir meist zusammen, nur wir zwei, Henry und ich, und üblicherweise sah das so aus, dass jeder ein Buch aufgeschlagen neben dem Teller liegen hatte oder seinen Gedanken nachhing. Henrys waren noch im Atelier, meine beim Kater oder in der Hütte. Ab und zu leisteten Fred und Bessie uns Gesellschaft. Eines Abends geriet Fred sich mit Henry und Bessie in die Haare darüber, ob ich mir zu viel selbst überlassen sei. Ich sei noch zu jung, um allein im Wald unterwegs zu sein. Bessie nannte Fred ein altes Weib, sie selbst würde alles dafür geben, so frei herumziehen zu können, und drohte damit, es irgendwann tatsächlich zu tun, wenn Fred gerade nicht aufpasste. Bessie und Henry behaupteten, sie seien schon alleine im Wald herumgestreunt, als sie noch jünger waren als ich. Fred war überstimmt. Henry verlangte nur, ich solle innerhalb seines markierten Geländes bleiben, immer leuchtende Farben tragen zum Schutz vor Jägern, die sich in seinem Wald herumtrieben, und bei Einbruch der Dunkelheit zurück sein. Das versprach ich.
    Also ging ich weiter in den Wald, an Wochentagen gleich nach der Schule, an Wochenenden nach einem schnellen Frühstück. Der Kater folgte mir in einiger Entfernung. Seit die Schwellung in seinem Ohr dank Maud Bookers Medizin zurückgegangen war, hatte er die Angewohnheit, mir hinterherzukommen. Zwar hielt er stets so viel Abstand, dass er jederzeit das Weite suchen konnte, aber er blieb doch immer nah genug, um mich nicht aus den Augen zu verlieren. Noch hatte er mir nicht erlaubt, ihn anzufassen, aber so ganz ausgeschlossen schien es auch nicht mehr. Jeden Morgen saß er im Garten und wartete schon auf mich und sein Frühstück. Nachts suchte er die Wärme unter dem Haus, aber zuvor saß er lange draußen und beobachtete mein Fenster. Aus einem alten Federkissen und einer Decke machte ich ihm ein weiches Bett bei der Heizung, in das ich meinen Stoffhasen steckte, damit er sich an meinen Geruch gewöhnen konnte.
    Doch weiter als den halben Weg zur Hütte kam er nie mit. Er hatte große Angst vor den nördlichen Wäldern und weigerte sich schlicht, mir weiter als bis zu den alten Bäumen zu folgen. Bis über die Brücke kam er hinter mir her wie ein Schatten, auch noch ein Stück den Weg entlang, doch dann blieb er plötzlich stehen, machte kehrt und ging zurück. Tag für Tag kehrte er praktisch an derselben Stelle um, so als wäre da eine unsichtbare Wand, an der er nicht vorüberkam. Ich versuchte ihn mit einer Spur aus Essensresten zu locken, doch er blieb hartnäckig. Irgendetwas hinter diesem Punkt machte ihm Angst, vielleicht eine Erinnerung an den, der früher einmal in der Hütte gelebt hatte, wer auch immer das gewesen sein mochte. Ich ging ohne ihn weiter, blieb aber wachsam.
    Auch nach dem weißen Reh hielt ich Ausschau, konnte aber keine Spur von ihm entdecken, auch wenn Vögel und Eichhörnchen und andere Tiere umherflatterten oder in den Bäumenraschelten. Ich hoffte, dass das Reh und sein Freund in der Nähe waren und mich beobachteten und sich vielleicht bald zeigten.
    Wochenlang war ich damit beschäftigt, die Hütte sauber und regendicht zu machen. In den zwei Stunden zwischen der Schule und dem Einbruch der Dunkelheit schaffte ich nicht viel, doch an den Wochenenden kam ich gut voran, dann wischte ich Staub und fegte und

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