Zons 03 - Kalter Zwilling
Er wusste, dass Petra Ludwig eine hervorragende Ermittlerin war. Seine Mannschaft tat sich einfach schwer damit, eine Frau als leitende Kriminalbeamtin zu akzeptieren. Die Tatsache, dass sie ohne Partner ermittelte, erschwerte die Lage weiter. Dies entsprach nicht Steuermarks Vorstellungen von guter Polizeiarbeit.
Der neue Mord wies ganz klar auf einen Serientäter hin. Die Abstände zwischen den Morden wurden immer kürzer und Steuermark konnte den Blutdurst des Täters regelrecht spüren. Er würde nicht aufhören.
Erneut nahm sich Steuermark das Blatt Papier mit dem vorläufigen Untersuchungsergebnis des Ermittlungsverfahrens gegen die beiden Kriminalbeamten Oliver Bergmann und Klaus Gruber vor. Eigentlich ging Steuermark lieber auf Nummer sicher, aber diesmal würde das wohl nicht funktionieren. Mit einem Seufzer wählte er eine Telefonnummer und wartete. Der leitende Polizeidirektor hob sofort ab.
»Steuermark! Auf Ihren Anruf habe ich schon gewartet.« Die Stimme des Polizeidirektors schnurrte nervös am anderen Ende der Leitung. »Bitte sagen Sie mir, dass Sie kurz davor sind, dieses Monster zu verhaften!«
Hans Steuermark ließ zwei Sekunden verstreichen, ehe er antwortete: »Ich brauche Bergmann und Gruber zurück. Dringend!«
...
Kevin blickte auf die Uhr und sprang auf sein Mountainbike. Er war verdammt spät dran. In fünfzehn Minuten fuhr seine Bahn vom Dormagener Hauptbahnhof in Richtung Köln ab. Seine Mutter hatte ihn den ganzen Morgen mit ihren Sorgen genervt. Warum nur konnte er nicht einfach ausziehen und das Studentenleben in Köln genießen. Stattdessen lebte er in diesem mittelalterlichen Städtchen Zons, welches für seine Generation wenig zu bieten hatte. Mit hoher Geschwindigkeit bretterte Kevin über die Schloßstraße, die ihn auf direktem Weg am früheren Feldtor vorbei auf die Aldenhovenstraße führte. Der Hauptbahnhof Dormagen war eine einzige Baustelle. Seit Monaten wurde hier gebaggert und abgerissen. Natürlich gab es Verzögerungen beim Bau des neuen Bahnhofsgebäudes und Kevin musste einen großen Bogen fahren, um auf den Bahnsteig zu gelangen.
Er musste heute zu einem Seminar mit Anwesenheitspflicht. Molekularbiologie interessierte ihn zwar überhaupt nicht, aber ohne die Teilnahme an diesem Kurs würde Kevin seinen Schein nicht bekommen und ein ganzes Semester seines Medizinstudiums verlieren. Glücklicherweise hatte Kevin sich eine Methode erarbeitet, wie er seiner Anwesenheitspflicht nachkommen konnte, ohne wirklich anwesend zu sein. Der Hörsaal befand sich im Erdgeschoss des Universitätsgebäudes. Er besaß zwar nur einen Ausgang, der sich in Sichtweite und damit unter voller Kontrolle des Professors befand, aber es gab am Ende des Hörsaals einen Zugang zu einer kleinen Toilette, der sich hinter einer Nische verbarg. Kevin grinste schelmisch und tastete nach dem Schraubenzieher in seiner Hosentasche. Seine Mutter hatte ihn heute Morgen genervt, aber der Professor für Molekularbiologie würde das ganz gewiss nicht mehr tun.
...
Petra Ludwig betrat zum ersten Mal in ihrem Leben die medizinische Fakultät der Universität zu Köln. Im Gebäude selbst roch es fast wie in einem Krankenhaus. Petra merkte, wie sich ihr Bauch meldete. Sie hasste Krankenhäuser. Dies war der Grund, warum sie letztendlich mit ihrem Reizdarmsyndrom bei der indischen Heilkunst Ayurveda gelandet war. Der Stress in den letzten Tagen bekam ihr gar nicht gut. Obwohl sie sich akribisch an ihren neuen Ernährungsplan hielt, machten ihre männlichen Kollegen und diese Mordserie ihr wahnsinnig zu schaffen. Sie fühlte sich alleine gelassen. Ihr Recherche-Team arbeitete ihre Vorgaben zwar ab, aber sie spürte die Ablehnung, die sie ihr entgegengebrachten, fast körperlich.
Ingrid Scholten, die Leiterin der Spurensicherung, war da schon eine größere Hilfe. Zwar hatte das Labor alle Hände voll zu tun und für Petra ging alles viel zu langsam voran, aber man behandelte sie freundlich und hilfsbereit. Petra musste an ihren Chef Hans Steuermark denken. Eigentlich war er ein herzensguter Mensch, aber eben auch ein ziemlicher Sturkopf. Petra war sich recht sicher, dass er seine Entscheidung, Oliver Bergmann nach Frankfurt an der Oder zu versetzen, längst bereut hatte. Aber irgendwie standen seine felsenfesten Prinzipien ihm im Weg.
Petra hatte extra nachgeforscht und wusste, dass der vorläufige Untersuchungsbericht Bergmann und Gruber im Wesentlichen entlastete. Aber
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