Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zornesblind

Zornesblind

Titel: Zornesblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Slater
Vom Netzwerk:
es.«
    Der Doktor antwortete nicht. Sie starrte ihn für eine lange Weile an, und das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht. Ihre Iris verdunkelte sich. Ihre Kinnpartie wurde hart. »Du widerst mich an«, stieß sie schließlich hervor. »Du hättest an dem Tag draufgehen müssen, und nicht mein geliebter William. Er hätte von mir gelernt. Und auf mich gehört. Er hätte uns niemals eingebrockt, was du uns eingebrockt hast.«
    Sie hielt die DVD mit spitzen Fingern fest. Als die Natter ihren Blick auffing – als sich ihr Mund zu einer durchtrieben lächelnden Grimasse verzog –, erkannte er, was sie vorhatte.
    »Nein, bitte! Nicht!«
    Es war sinnlos.
    Der Doktor brach die Disk in zwei Hälften. Die Natter stieß einen gellenden Wutschrei aus. Reflexartig packte er den Doktor am Handgelenk und bog es nach hinten. Mit einer Mischung aus Verblüffung und Schmerz schrie sie auf und versuchte, ihm ihren Arm zu entziehen. Als er nicht lockerließ, holte sie mit ihrer freien Hand aus und schlug ihm hart ins Gesicht.
    Er verzog keine Miene.
    »Ich wünschte, du wärst nie geboren worden«, zischte sie. »Ich wünschte, deine Mutter, dieses Flittchen, hätte dich nach der Geburt verrecken lassen – dann würde mein William heute noch leben!«
    »Du spinnst doch! Dein William ist seit vielen Jahren tot«, fuhr die Natter sie an.
    Ihre Augen wurden schmal. »Du bist ein totaler Versager, Gabriel. Und als Sohn eine herbe Enttäuschung.«
    Sie wollte ihn bewusst demütigen, aber das zog bei ihm nicht. Er ließ sie reden – und nickte abwesend.
    »Ich bin aber nicht dein Sohn«, konterte er.
    »Was?«
    »Ich bin Erichs Sohn. Und mein Vater ist tot. Du bist nicht mehr seine Frau. Und du bist nicht meine Mutter.«
    »Was fällt dir ein?« Sie knallte ihm noch eine, auf dieselbe Stelle, wo sich seine Gesichtshaut flammend rot färbte, und riss sich von ihm los. Als er nicht wirklich reagierte, sondern bloß irre lächelte, wich sie zurück.
    »Bleib, wo du bist«, fuhr sie ihn an.
    »Du bist nicht meine Mutter.« Er drängte näher.
    »Bleib weg von mir! Fass mich nicht an! Ich befehle es dir. Hörst du nicht, was ich gesagt habe? Ich bin dein Arzt, Gabriel! Dein Arzt!«
    Die Natter hob die Arme und brachte seine langen Finger um Lexas schlanken Hals.
    »Das Spiel ist vorbei, Doktor«, sagte er. »Du hast verloren.«

97
    Striker verließ die Straße und schlug gemeinsam mit Felicia einen der Wege ein, die sich durch das große Waldgebiet schlängelten und das Ufer des Sees säumten. Sie schoben sich langsam im Schatten der Bäume vorwärts, bemüht, das Privatgrundstück zu erreichen, ohne entdeckt zu werden. Schon von Weitem hörten sie, dass in dem Blockhaus gestritten wurde.
    Er stoppte abrupt und sah zu Felicia.
    »Ein Mann und eine Frau?«, fragte er leise.
    »Hört sich ganz so an, aber sicher bin ich mir nicht.« Felicia kroch zum Fenster und spähte vorsichtig hinein. »Mist, ich kann nichts erkennen. Lass uns einfach reingehen, und dann schnappen wir uns die Bande.«
    Striker winkte sie zurück. »Noch nicht.«
    »Wieso nicht?«
    »Weil wir nicht wissen, wer von dem Trio da drin ist oder ob sie alle zusammenhocken. Fakt ist, sollten sie rauskommen und uns sehen, türmen sie. Dann entwischen sie uns und morden weiter. Wir brauchen dringend Verstärkung .«
    Felicia nickte bekräftigend. »Ruf die Kollegen in Whistler an. Die können innerhalb der nächsten zehn Minuten hier sein. Dann umstellen wir das Haus.«
    Striker wiegte unschlüssig den Kopf. »Wenn Lexa oder Gabriel oder Dalia davon etwas spitzkriegen, sind die weg. Und zwar auf Nimmerwiedersehen.«
    »Okay, dann soll uns die Polizei in Whistler eben Zivilbeamte schicken.«
    Ob das so sinnvoll war? Die Entscheidung wollte reiflich überlegt sein. Striker erwog das Für und Wider. Dann nahm er sein Handy aus der Tasche, beschirmte mit einer Hand vorsichtshalber das verräterisch helle Display und wählte den Notruf. Nichts, kein Empfang. Er steckte das Handy weg.
    »Kein Empfang«, sagte er.
    Damit war die Entscheidung gefallen.
    Er zeigte auf die Südwestseite des Hauses. »Du übernimmst die Seite, okay? Schrei, wenn du mich brauchst, dann bin ich sofort bei dir.«
    Felicia zog ihre SIG und glitt langsam zwischen den Bäumen hindurch zum Haus. Kaum war sie verschwunden, registrierte Striker eine einsame Gestalt, die die Straße hochkam: mittelgroß, lange schwarze Haare, schlank.
    Dalia.
    Striker beobachtete, wie das Mädchen den Weg zum Haus einschlug. Trotz der

Weitere Kostenlose Bücher