Lord der toten Seelen: Royal House of Shadows (German Edition)
PROLOG
A ls ich zum ersten Male Feder und Tinte zur Hand nahm, die Werkzeuge des Hofchronisten, legte ich dabei den Eid ab, nur die Wahrheit niederzuschreiben. Jetzt schmerzt in meinen alten Knochen das Wissen, dass ich die Wahrheit, die ich festhalten muss, am liebsten auslöschen würde. Aber das kann nicht sein. Ich weiß, dass niemand mehr dieses Archiv lesen wird, aber die Geschichte muss dennoch niedergeschrieben werden. Die Vergangenheit darf nicht in Vergessenheit geraten. Und so muss ich beginnen.
Viele Jahre lang hatte der Blutmagier begehrliche Blicke auf das Königreich Elden geworfen, ein stolzes altes Land mit Reichtümern und Macht im Überfluss. Sein langlebiges Volk wurde vom guten König Aelfric und seiner weisen Königin Alvina regiert. Doch auch wenn sie starke Regenten waren, brutal waren sie nie, und unter ihrer schützenden Hand gedieh das Volk von Elden.
Genau wie ihre Kinder.
Nicolai war der Älteste und, wie manch einer sagte, auch der mit dem schwärzesten Herzen.
Dayn war der Zweitgeborene, und seine Augen sahen alles.
Breena war sanft von Gemüt und geliebt von der Mutter, dem Vater und all ihren Brüdern.
Und Micah, der Jüngste, hatte noch ein unschuldiges Herz. Lange nach seinen Geschwistern geboren, war er gerade fünf Jahre alt geworden, als die schwärzesten aller Schatten sich über Elden legten. Es geschah am Morgen nach einer Nacht der Freude, um eben diesen Jahrestag zu feiern. Doch das Singen und Tanzen war lange zur Ruhe gekommen, und über der Burg hing noch dunkel der Schlaf, als der Blutmagier an ihren Toren erschien – an seiner Seite Monster, die in allen Königreichen ihresgleichen suchten.
Vielleicht waren sie einst Spinnen gewesen, doch jetzt waren sie schreckliche Kreaturen mit rasiermesserscharfen Klingen an ihren pelzigen Beinen und einem Hunger auf menschliches Fleisch. Ihre Augen flackerten rot.
Begleitet wurden sie von Männern, die zu riesigen Monstern mit Fäusten wie Stahlhämmern mutiert waren, und von winzigen krabbelnden Insekten, die sich in den Boden gruben und ihn vergifteten.
An den Händen des Blutmagiers klebte der Lebenssaft seiner Opfer, und seine Macht war immens, finster und bösartig. Es schien, als könnte nichts ihm Einhalt gebieten, aber König und Königin wollten ihr Volk nicht solcher Dunkelheit ausliefern, auch wenn der Blutmagier sie mit dem Versprechen eines schnellen Todes zu locken suchte.
König Aelfric besaß selbst beträchtliche Macht und verwundete den Magier mit einem heftigen Stoß, doch der Feind starb nicht, so genährt war er von der fauligen Schlechtheit seiner bösartigen Kraft. Wieder und wieder griff der Blutmagier an, bis der König selbst aus den Augen zu bluten begann.
Die Königin, geschwächt von der Schlacht gegen die Kreaturen des Magiers, musste zusehen, wie der König unter den ständigen Angriffen des Bösen zu fallen drohte, und wusste den Kampf verloren. Mit ihrer letzten gemeinsamen Kraft, denn ihre Lebensgeister waren vereint, opferten sie ihr Leben, um einen großen Zauber zu wirken, einen, der seitdem nie wiederholt wurde und der vielleicht nie bekannt werden wird.
Es gibt eine Blutlinie, die Mutter und Kind verbindet, eine Linie, die nie gebrochen werden kann. Und diese Linie benutzte die Königin, um ihre Kinder aus Elden zu verbannen. Sie brachte ihre Kinder in Sicherheit, damit sie eines Tages zurückkehren und ihr Geburtsrecht einfordern konnten.
Es war die letzte Liebesgabe einer Mutter, doch der Blutmagier prahlt noch heute damit, dass Königin Alvina versagt hat und er ihre Magie am Ende fehlleiten konnte, sodass die Erben von Elden nicht in eine sichere Zuflucht, sondern in den Tod geschickt wurden. Es lebt niemand mehr, der ihm widersprechen könnte.
Aus den königlichen Chroniken von Elden, am dritten Tag der Regentschaft des Blutmagiers
1. KAPITEL
E r ist das schönste Monster, das ich je gesehen habe.
Das war Lilianas erster Gedanke, als sie sich schwach und ausgelaugt auf dem schwarzen Marmorboden wiederfand. Ihr Gesicht spiegelte sich in der glatten Oberfläche. Während sie dalag, sah sie, wie sich am Ende des Raumes der, den sie den Lord der Schwarzen Burg nannten, von seinem Thron aus Ebenholz erhob und die zehn Stufen mit einer gelassenen Eleganz hinabschritt, die von Macht zeugte, von Kraft … und von Tod.
Sie versuchte verzweifelt, eine Hand zur Faust zu ballen, versuchte, sich auf die Knie zu erheben, um ihm nicht in einer so unterlegenen Stellung begegnen zu
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