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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Lichter löschen und in der Dunkelheit warten müssen, in der Hoffnung, dass die französische Fregatte die Themis nicht bemerkte. Es war von äußerster Dringlichkeit, dass Monsieur Benoîts Nachricht England erreichte, aber Hayden hatte sich auf ein Gefecht mit einem schwer kalkulierbaren Feind eingelassen. Jetzt fragte er sich, ob er sich nicht gar vom Stolz hatte verleiten lassen, zumal er vor seiner Crew nicht scheu und zögerlich hatte wirken wollen. Ja, er hatte obendrein befürchtet, die Kommissare der Lords könnten seine Entscheidung hinterfragen. Leise verfluchte er sich erneut.
    Eine Rauchwolke, die rasch leewärts geweht wurde, quoll am Bug des dichtesten Verfolgers auf. Keine hundert Yards hinter der Themis klatschte eine Eisenkugel in die Gischt des Kielwassers.
    Innerhalb der Crew kam es zu Unruhe, wenn nicht gar Gemurre. Auf See traf Hayden seine Entscheidungen für gewöhnlich schnell und sicher, aber an diesem Tag hinterfragte er jede Entscheidung zweimal.
    Im selben Moment tauchte der Master wieder neben ihm auf wie ein korpulenter Engel des Zweifels. »Zu wenig Kraft in diesem Wind, Sir«, merkte er an.
    »Hatten Sie mir nicht erzählt, der Wind würde auffrischen und achterlich kommen, Mr Barthe?«
    »Ich fürchte, ich werde eines Besseren belehrt, Kapitän«, erwiderte er fast kleinlaut.
    »Hoffen wir, dass Sie letzten Endes doch noch recht behalten, Mr Barthe. Und mein Irrtum nicht folgenschwer ist«, setzte er leiser hinzu.
    Doch der Wind schien sowohl Hayden als auch dem Master zu trotzen. Er nahm nicht zu, änderte seine Richtung nicht und lieferte keine starken Böen, auf die Hayden gehofft hatte. Unter normalen Bedingungen hätte Hayden bei dieser Wetterlage nie Bramsegel setzen lassen, aber die gegebenen Umstände konnten schließlich nicht als »normal« bezeichnet werden.
    Abermals feuerte die Fregatte ihr Buggeschütz ab, eine leicht zu handhabende Drehbasse. Diesmal klatschte das Geschoss noch dichter bei der Themis ins Wasser.
    »Was schätzen Sie, Mr Barthe, sind es noch fünfzig Meilen bis zur Pointe de Barfleur?«
    »Eher sechzig, denke ich, Kapitän.«
    »Also etwa neun Stunden? Oder gar zehn?«
    »Nach Einbruch der Dämmerung, Sir, wenn die Windverhältnisse so bleiben.«
    »Werden wir die Pointe umsegeln können?«
    Der Master schaute nach Westen, als könnte er die Entfernung zu der unsichtbaren Landspitze abschätzen. »Bei dieser Neigung, Sir? Das dürfte eng werden.«
    Hayden sah sich in seinen eigenen Befürchtungen bestätigt.
    »Ich denke, wir könnten bei diesem Wind über Stag gehen, Kapitän«, stellte Barthe fest und fixierte den Verfolger mit zusammengekniffenen Augen.
    »Deck!«, schallte der Ruf von der Marsplattform. »Stoßwind auf offener See!«
    Hayden schaute sofort luvwärts in den Wind und sah, wie die Kronen der Wellen in weißen Gischtfetzen zerstoben. Die See fächerte sich schuppenförmig auf, wie es bei starkem Wind oft der Fall war.
    »Hoffen wir, dass dies die Vorläufer unserer Sturmböen sind«, sagte Hayden leise zum Master.
    Der Mann am Steuerrad schätzte den Wind richtig ab und luvte dann hinein, um die Böen aus den Segeln zu nehmen. Mit dem Wind zu gehen war die sicherste Methode, um mit heftigen Sturmböen klarzukommen, aber da das Kreuzmarssegel lebend gebrasst und das Großsegel gesetzt war, würde das Schiff nicht vom Kurs abkommen. Oft war es unerlässlich, diese Segel zu bemannen oder eine Schot fliegen zu lassen, ehe man eine Wende einleiten konnte.
    Die Segel erzitterten in ihren Schothörnern, ein Reißen ging durch das Rigg. Der starke Wind drückte die Themis leewärts. Hayden drehte sich um, weil er wissen wollte, welche Auswirkungen der Wind auf die Verfolger hatte. Sie krängten noch stärker als die Themis .
    Entlang des Decks starrten die Matrosen voller Hoffnung auf die Krängung der französischen Schiffe.
    »Los, fliegt davon!«, fluchte der Master in Richtung der feindlichen Verfolger.
    Von jetzt auf gleich erstarb der Wind, worauf die Steuermänner auf allen drei Schiffen die Fregatten wieder auf Kurs brachten und hart am Wind blieben, denn keiner wollte an Geschwindigkeit verlieren. Die Crewmitglieder der Themis seufzten hörbar und wandten sich wieder ihren Aufgaben zu. Viele schüttelten enttäuscht den Kopf.
    Aus dem Niedergang tauchte Reverend Smosh auf, zog sich umständlich einen wollenen Mantel an und brauchte eine Weile, bis das Kleidungsstück auch richtig saß. Der untersetzte Geistliche bat um Erlaubnis, das

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