Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
Küste war bedrohlich nah, und bei diesen schlechten Sichtverhältnissen drohten unwillkommene Überraschungen. An Deck ließ das angeordnete Schweigen die gedämpfte Stimmung der Crew nur noch unnatürlicher und Unheil bringender erscheinen.
    Sowie Rauch von den Herdfeuern aufstieg, besserte sich die Laune der Männer ein wenig, und gegen acht Glasen, als die ersten Männer unter Deck ihre Frühmahlzeiten einnahmen, hellte sich die Stimmung sichtlich auf.
    Seit nunmehr zwei Stunden waren die Franzosen nicht mehr im Kielwasser aufgetaucht, und allein das nahm den Männern etwas von ihrem dumpfen Unbehagen. Mr Barthe ordnete an, dass mit dem Log die Geschwindigkeit gemessen wurde, und notierte sechs Knoten. Nachdem er kurz seine Seekarten zurate gezogen hatte, errechnete er, dass Barfleur zwei Stunden nach Einbruch der Dunkelheit auftauchen müsste. Was den Master indes beunruhigte, waren die unvorhersehbaren Strömungen in diesen Gefilden des Ärmelkanals, und so stampfte er mit sichtlich finsterer Miene über das Deck.
    Der Lotgast musste sein Lot ausschwingen, aber selbst auf zwanzig Faden war kein Grund zu vermelden, eine Information, die weder Anlass zur Freude bot noch Panik auslöste.
    In unregelmäßigen Abständen fuhren starke Böen in die Takelage und kamen oft hundert Yards an Steuerbord wie aus dem Nichts – unsichtbaren Schwingen gleich. Die Matrosen im Ausguck und die Steuermänner waren stets wachsam, aber die graue, undurchsichtige Schicht über dem Wasser ließ kaum eine klare Windprognose zu.
    Hayden nahm seine Frühmahlzeit nachdenklich in der Messe ein, da seine Kajüte noch nicht wieder eingerichtet worden war. Obwohl er mit exzellenten und pflichtbewussten Offizieren gesegnet war, verfügten die Männer – mit Ausnahme des Masters natürlich – über relativ wenig Erfahrung und mussten noch in ihre Verantwortungsbereiche hineinwachsen. Das Urteilsvermögen der Offiziere und Midshipmen war in schwierigen Situationen bislang noch nicht auf die Probe gestellt worden. So hoffte Hayden, dass sein eigenes Urteilsvermögen ihn nicht im Stich ließ, angeschlagen, wie es war, von den immerwährenden Sorgen um die eigene Situation.
    Im Verlauf des Tages wurde die See rauer, und schon bald schlugen die Wellen über das Schanzkleid und schickten ihre Gischtfetzen in die Takelage. Das Wasser schlug gegen die schweren nassen Segel und spülte mit solcher Kraft über Deck, dass sich die Crew an den Manntauen festhalten musste. Das sich blähende Großsegel beäugten die Matrosen mit einer Mischung aus Faszination und Schrecken. Wäre es nicht exzellent gearbeitet gewesen, hätte es sicherlich schon Risse erhalten, doch die Nähte hielten, und Hayden beschloss, es vorerst so zu lassen. Er verstieß gegen alle Seefahrerkonventionen, weil er das Großmarssegel reffte, um den Druck von dem Schiff zu nehmen, aber gleichzeitig das Großsegel so beließ.
    Die Sonne konnte an diesem Tag die Mittagsstunde nicht anzeigen, aber dieser wichtige Zeitpunkt – der Beginn des Schiffstages – wurde dennoch vermerkt. Das Glas wurde umgedreht, das Log samt Leine ausgeworfen. Jetzt, da die Themis offenbar sicher vor den Verfolgern war und die Crew gegessen hatte, hellte sich die Stimmung an Bord weiter auf. Fast spürte man so etwas wie Zufriedenheit an Deck, trotz des miserablen Wetters.
    Die Stimmung schlug nur kurz um, als urplötzlich ein Frachter wie ein dunkles Ungetüm vor dem Bug auftauchte und fast mit der Themis kollidiert wäre. Doch dazu kam es wie durch ein Wunder nicht. Unter normalen Umständen hätte Hayden Jagd auf den Frachter machen lassen, um sich das Prisengeld zu sichern, aber an diesem Tag schaute er dem Schiff im Regen nach und versuchte nicht daran zu denken, was ihm finanziell entging. Sorgen bereitete ihm indes, dass der Frachter womöglich auf die beiden Fregatten stieß und die Kapitäne informierte, dass die Themis noch auf Kurs war.
    Auch die Männer schauten dem kleinen Schiff mit mürrischen Mienen nach. Manch einer fluchte verhalten. Wieso musste ausgerechnet jetzt eine Prise auftauchen? Das war nicht gerecht.
    Der Wind, der über die Mittagszeit relativ konstant geblieben war, wechselte allmählich von Nord-Nordost auf Nord-Nordwest. Wann immer Barthe den nord-nordwestlichen Wind registrierte, blickte er sofort auf Kompass und Karten, ließ das Log zu Wasser und berechnete die Position erneut. Sie durften die Pointe de Barfleur nicht verpassen. Einmal ging Hayden zusammen mit dem Master

Weitere Kostenlose Bücher