Zu feindlichen Ufern - [3]
Quarterdeck betreten zu dürfen, und trat dann neben Hayden und den Master an die Reling.
»Wollten Sie ein wenig frische Luft schnappen, Mr Smosh?«, fragte Barthe.
»Ja, in der Tat, aber mich lockte auch die Aussicht, Mr Barthe. Den Ausblick von hier sollte man sich nie entgehen lassen.« Er dachte einen Moment nach. »Da alle Männer an Deck gebraucht werden, musste meine Lesestunde ausfallen. Ich habe keine bereitwilligen Schüler an diesem Morgen, und der Doktor kann mich im Augenblick auch nicht gebrauchen. Daher dachte ich mir, ich könnte einmal an Deck gehen und mir diese französischen Fregatten ansehen, von denen ich schon so viel gehört habe.«
»Nun, dort sind sie, Sir«, antwortete Barthe ihm. »Ein schöneres Zweiergespann werden Sie wohl kaum je zu Gesicht bekommen, möchte ich wetten.«
Der Geistliche blickte einen Moment lang auf die Verfolger. »Haben die nicht mehr Segel gesetzt als wir? Drei Reihen und wir nur zwei?«
»Alle verfügbaren Untersegel, Marssegel und Bramsegel, Mr Smosh, aber der Kapitän glaubt, dass die Sturmböen ab und an zu kräftig sind, und dann haben wir wieder Gleichstand mit den Segeln, denn den Franzosen werden einige davonfliegen.« Barthe wandte sich an Hayden. »Ich dachte, diese Böe hätte die Franzmänner dazu gebracht, die Bramsegel zu reffen, aber wie ich sehe, haben sie nichts dazugelernt.«
»Ich hatte auch darauf gehofft«, erwiderte Hayden enttäuscht.
»Werden die uns einholen, Gentlemen?«, erkundigte sich Smosh.
»In der Tat, Mr Smosh, sie holen auf«, erklärte Hayden geduldig. »Aber so langsam, dass man es kaum abschätzen kann. Ich habe die Geschwindigkeit der Verfolger im Auge behalten, und manchmal hatte ich den Eindruck, dass sie den besseren Wind in den Segeln haben. Dann wiederum scheint der Wind uns gut gesinnt zu sein. Eben hatte es den Anschein, das zurückliegende Schiff habe aufgeholt, aber ich denke, es ist sogar noch weiter zurückgefallen. Das Ganze kann so weitergehen, bis die Dunkelheit anbricht. Genauso gut könnte der Wind jedoch auffrischen und unseren Feind gefährlich nah heranbringen. Schauen wir, wen der Wind begünstigt.« Fast hätte Hayden gesagt »wen die Götter des Windes begünstigen«, aber diese heidnischen Ansichten verbiss er sich in Gegenwart des Reverends.
Binnen einer Stunde schienen die Götter des Windes zugunsten der Franzosen entschieden zu haben, denn der hartnäckigste Verfolger verfehlte das Heck der Themis inzwischen nur noch knapp. Daraufhin ließ Hayden die Drehbassen am Heck klarmachen. Gelegentliche kräftige Windstöße erfassten die Schiffe, doch keiner war so stark, dass es nötig gewesen wäre, in den Wind zu luven. Dennoch hatten Schiffe unter diesem Druck die Tendenz, vom Kurs abzukommen. Insgesamt hatten die kräftigen Windstöße nachgelassen, aber der Regen und kleinere Böen blieben unverändert.
Gegen Mittag traf die erste französische Kugel die Themis , ging durch das Kreuzmarssegel und danach durch das Großmarssegel. Keine weiteren Schäden wurden gemeldet, doch die Männer wurden immer unruhiger.
Trotz der vorgerückten Stunde wollte es nie richtig hell werden. Ein trübes Zwielicht überwog, und über Stunden hinweg schien sich die schemenhafte Sonne kaum zu verändern. Achteraus blieben die beiden Verfolger bedrohlich und unnachgiebig und hetzten die Themis mit raubtierartigem Hunger. Hayden hatte das Gefühl, dass eine unerschütterliche, böswillige Macht ihre Finger mit im Spiel hatte – die Menschen schienen mit ihrem Handeln nichts mehr ausrichten zu können. Für jemanden, der es gewohnt war, der Jäger zu sein, war dieses Gefühl neu und zutiefst beunruhigend.
Der Bug des Verfolgers war in eine grau-schwarze Wolke gehüllt, die für einen kurzen Moment wie flüssiges Blei wirkte. Die Eisenkugel rauschte knapp an Steuerbord vorbei, der Widerhall der Drehbasse traf mit Verzögerung ein.
»Mr Archer!«, rief Hayden dem jungen Leutnant zu, der wenige Schritte entfernt stand. »Erwidern wir das Feuer.«
Im selben Augenblick warnte der Mann im Ausguck vor einer kräftigen Böe, worauf die Themis krängte. Die Männer am Steuerrad kämpften gegen die Neigung an. Die Segel spannten sich bis zum Äußersten und troffen im unaufhörlichen Regen.
»Luv an!«, befahl Barthe dem Steuermann. »Luv an! Lasst los die Schoten des Focksegels!«
Das Schiff krängte bedenklich, niedergedrückt vom Wind. Knackende Geräusche des Holzes und flatternde Segel alarmierten Hayden, und als
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