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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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wieder die Blicke all der Gefangenen – Furcht und Entsetzen lagen in den Augen dieser Männer, ganz so, als hätten sie eben noch am Rande eines Schlundes gestanden und sich mit einem letzten, rettenden Schritt in Sicherheit gebracht.
    »Beruhigt euch«, hörte Hayden seine eigene Stimme wie aus weiter Ferne. »Hier seid ihr in Sicherheit. Beruhigt euch.«

K APITEL ZWEIUNDZWANZIG
    »Ich habe mir diese Klippen schon so oft angesehen, Mr Barthe, ich glaube, ich kenne sie inzwischen besser als mein Spiegelbild.« Hayden ließ das Fernrohr sinken.
    Der Master lehnte an der Reling auf dem Vorderdeck, hielt sich mit einer Hand fest und stützte sich mit der anderen auf den Gehstock des Doktors. Auch er blickte hinüber zu den Steilufern, die die Einfahrt zu den Gewässern vor Brest prägten. »Ich war noch nie so froh, diese Klippen sehen zu dürfen, Sir.«
    Hayden hob erneut das Fernrohr an sein Auge und beobachtete das Heck des letzten Schiffes, das in den Goulet fuhr. Ein Schiff nach dem anderen verschwand, die gesamte feindliche Flotte – oder das, was davon übrig geblieben war. Die langen Schatten des späten Nachmittags schienen die Schiffe zu verschlucken.
    Hayden ließ das Fernrohr sinken und blickte noch eine Weile nachdenklich zur Küste. Lord Howe hatte die Raisonnable und zwei Fregatten entsandt, um sicherzustellen, dass die feindliche Flotte auch wirklich in den Hafen von Brest einlief. Erst jetzt hatte Hayden die Bestätigung.
    »Nun, Mr Barthe, unser Auftrag ist erfüllt. Die Fregatten werden hier auf Position bleiben, während wir«, er holte hörbar Luft, »nach England zurückkehren.« Er wandte sich dem Midshipman zu, der drei Schritte entfernt stand. »Rufen Sie Mr Archer«, befahl er.
    »Ich bin hier, Sir.« Der Leutnant stand in den Rüsten der Fock und schaute der französischen Flotte nach. Rasch kletterte er wieder über die Reling.
    »Wir umrunden Ushant noch vor Einbruch der Dunkelheit, Mr Archer, und nehmen dann Kurs auf Portsmouth.«
    »Aye, Sir.« Archer trat zu seinem Kapitän. »Und was wird dann aus uns, frage ich mich?«
    Haydens Antwort war ein Schulterzucken. »Das haben die Kommissare der Lords zu entscheiden, Mr Archer, nicht wir Sterblichen.«
    »Mir ist jedenfalls klar«, ließ sich der Master grummelnd vernehmen, »dass wir in Portsmouth eintreffen, wenn Lord Howe längst seine Prisen in den Hafen gebracht hat. Seiner Lordschaft und den anderen Kommandanten werden juwelenbesetzte Degen überreicht, von der Erhebung in den Ritterstand wird die Rede sein – und was ist mit uns? Alle werden so tun, als hätten wir keinen Anteil am Erfolg gehabt.«
    Haydens Gedanken waren in dieselbe Richtung gegangen, aber er hielt sich verständlicherweise zurück. Er spürte, dass ihn kaum noch etwas nach England zog – im Gegenteil, ihn erwarteten nur Enttäuschungen, drohende finanzielle Rückschläge und gerichtliche Auseinandersetzungen. Insgeheim hoffte er, sofort wieder in See stechen zu können – je eher, desto besser.
    »Zumindest können wir unseren Enkeln erzählen, dass wir in der ersten großen Seeschlacht dieses Krieges dabei waren«, meinte Archer.
    »Und stehen doch mit leeren Händen da«, fügte Barthe missgelaunt hinzu.
    »Mr Archer …«, drängte Hayden seinen Leutnant.
    »Aye, Sir, Ushant umrunden und dann Kurs auf Portsmouth.« Archer eilte davon und machte auf der Gangway Hawthorne Platz, der in Richtung Bug humpelte.
    »Habe ich verpasst, wie sich die Franzmänner in Brest verkriechen?«, fragte der Hauptmann der Seesoldaten gewohnt lakonisch.
    »Ich fürchte, ja, Mr Hawthorne.«
    »Verflucht. Ich hätte so gern gesehen, wie ein Admiral aussieht, der die Beine in die Hand nimmt.«
    »Dürfen Sie wirklich schon wieder an Deck sein, Mr Hawthorne?«, fragte Hayden. »Hat der Doktor Ihnen nicht gesagt, Sie sollten in der Koje bleiben?«
    »War das seine Anweisung? Da habe ich ihn wohl falsch verstanden …« Hawthorne schaute noch einen Moment hinüber zur französischen Küste und sah, wie die letzten französischen Schiffe zwischen den Klippen verschwanden. Mit einem Mal blickte er sehr ernst drein. »Fragen Sie sich auch bisweilen, wie viele Menschen auf beiden Seiten ihr Leben lassen mussten, Kapitän?«
    Barthe musterte den Hauptmann skeptisch. »Offenbar haben Sie doch zu lange in Ihrer Koje gelegen, Mr Hawthorne, wenn Ihre Gedanken plötzlich von Schwermut getrübt sind.«
    »Ja, vielleicht …«, lautete die leise Antwort.
    Die Matrosen waren auf ihren Stationen

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