Zuckermacher 02 - Aschenblüten
dass ich alles aufgegessen hätte, wenn mir nicht auf einmal Sarah eingefallen wäre. Ich entschuldigte mich bei ihr und reichte ihr schnell den Rest des Brotes.
Sarah bedankte sich bei Martha für ihre Freundlichkeit und fragte sie dann leise, ob irgendjemand im Pesthaus gestorben sei, seit sie sich hier aufhielt.
»Zwei Leute«, antwortete Martha. »Mit einer Woche Abstand voneinander. Und sie sind ganz bestimmt an der Pest gestorben. Ich kenne die Anzeichen ebenso gut wie jeder andere, der sich in London aufgehalten hat. Doch es kam eine alte Frau herein, die als Leichenbeschauerin arbeitet, und behauptete, der Erste sei an der Franzosenkrankheit gestorben und der Zweite an Blutfluss.«
»Warum hat sie das denn getan?«, fragte Sarah.
»Weil Mr. Beade keine andere Aussage zulassen würde«, sagte Martha, nachdem sie einen Blick Über die Schulter geworfen hatte, um sich zu vergewissern, dass er sich nicht irgendwo in der Nähe herumtrieb. »Es ist seine Aufgabe, die Pest aus Dorchester herauszuhalten, und das ist es, was er tut. Er hält die Pest heraus, indem er nicht zulässt, dass man sie auch nur erwähnt.«
»Aber wie kommt es denn - entschuldigt bitte meine Frage -, dass Ihr Euch nicht angesteckt habt?«, fragte Sarah.
Martha zuckte die Achseln. »Wie das kommt? Ich weiß es nicht, vielleicht, weil ich so viel Zeit wie möglich im Freien verbringe - doch wenn ich ein Patentrezept gegen die Pest hätte, würde ich es in Flaschen abfüllen und ein Vermögen machen...«
»Wir kauen jeden Tag einen Rosmarinzweig - und wir tragen beide einen Talisman in der Tasche und haben einen Trank genommen, als wir noch in London waren«, sagte ich, »aber welches von diesen Mitteln geholfen hat, wissen wir auch nicht.«
Während wir uns unterhielten, bemerkten wir, dass Mr. Beade vor der Tür mit jemandem sprach und dabei großes Geschrei machte und sich sehr leutselig gab. Kurze Zeit später rief er Sarah und mich zu sich und sagte uns, dass Lady Jane eine kleine Kiste für uns geschickt habe, mit der Botschaft, dass das, was wir nicht brauchten, dem Pesthaus zugute kommen solle.
Aufgeregt nahmen Sarah und ich die Kiste entgegen, öffneten sie und fanden darin ein paar geflickte, aber sehr saÜbere und weiche Leintücher, eine Steppdecke, ein paar Handschuhe, drei Kleider (die zwar eher altmodisch waren, aber, der Qualität der Spitze nach zu urteilen, Lady Jane selbst gehört hatten) und mehrere Baumwollhemden und Unterröcke sowie einige Waschlappen, ein Handtuch und ein kleines Stück Seife. Grace bekam rund zwei Dutzend Windeln, eine Menge gesmokte Kleider und solche mit Biesen, zwei locker gestrickte Babydecken und ein paar schöne Häubchen mit Bändern. Außerdem gab es einen Korb mit zwei frischen Broten, etwas Wein, einen ganzen runden Käse und ein paar Früchte: eine Orange, eine Unmenge Äpfel und Pflaumen.
Auf einem Zettel, der in der Kiste lag, stand:
Mistress Hannah und Mistress Sarah. Lady Jane bat mich, Euch diese Dinge zukommen zu lassen. Sie hofft, hiermit ein Geringes dazu beizutragen, Euren Aufenthalt im Pesthaus weniger beschwerlich zu gestalten. Ich werde dafür sorgen, dass Ihr genügend Lebensmittel bekommt. Zögert bitte nicht, Euch jederzeit an mich zu wenden, wenn ich Euch mit weiteren Dingen, die Ihr benötigt, versorgen kann, und seid versichert, dass ich Eure beflissene und ergebene Dienerin bin,
R. Black
Haushälterin von Lady Jane Cartmel
Selbst die Tatsache, dass wir gehört hatten, wie Mr. Beade sich vor einer Weile mit lauten Freudenrufen Über die Kiste hergemacht hatte, und wir sicher sein konnten, dass er sich bereits einiges herausgenommen hatte, tat unserer Freude keinen Abbruch. Wir machten uns sofort daran, die saÜberen Hemden und Kleider anzuziehen (denn während der Reise hatten wir vier Tage lang dieselben Sachen getragen), und baten Mr. Beade um eine Waschschüssel, um uns selbst und unsere Unterwäsche waschen zu können. Bevor wir das taten, hängten wir eines der Laken an Sarahs Bettende auf, damit uns niemand beim Ausziehen zusah. Wir müssten unseren Anstand wahren, sagte Sarah und fügte hinzu: »Obwohl die übrigen Insassen des Pesthauses halb tot aussehen, kann man nie vorsichtig genug sein.«
Die Zeit, die uns im Pesthaus bevorstand, machte uns immer noch Angst, doch wir fühlten uns schon viel besser, nachdem wir diese Dinge erhalten hatten und wussten, dass wir regelmäßig mit Essen versorgt werden würden. Außerdem wussten wir, dass unsere
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