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Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Titel: Zuckerpüppchen - Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hassenmüller
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auf den Rücksitzen hinter ihren Sonnenblenden. Gaby fuhr in der Mittagszeit, die Sonne knallte auf ihren Kopf, und sie fühlte, wie ihr der Schweiß aus allen Poren lief. Hubert war auf dem Sitz neben ihr in Schlaf gefallen, ein Handtuch, ins Seitenfenster geklemmt, schützte ihn vor zuviel Sonne. Eigentlich hätte er sie schon ablösen sollen, aber sie wollte, daß er ihr Durchhaltevermögen bewunderte, sie auch als ganzen Kerl betrachtete, und fuhr weiter. Fuhr im Schneckentempo im Stau über die "Todespiste” in Jugoslawien, die berüchtigt war, wegen der vielen Unfälle. Auch jetzt sah Gaby hin und wieder einen Autofahrer durchdrehen, er scherte aus, ohne ausreichende Sicht, einfach in dem Drang, raus aus der Kolonne, raus aus der Hitze, endlich wieder Fahrt zu gewinnen. Meistens ging es gut, manchmal quietschten Bremsen, schlitterten Autos in die Böschung. Dann hatten sie noch Glück gehabt. Sie fuhr und fuhr, war nur noch ein Fahrroboter mit aufgerissenen Augen, Händen am Steuer und einem Fuß auf dem Gas oder der Kupplung und der Bremse. Sie fuhr, bis die Kinder jammerten, etwas Kühles zu trinken verlangten und Hubert aus seinem Schlaf aufschreckte. “Schon vier Uhr”, sagte er, und “wird Zeit, daß wir wieder eine Pause machen.” Als sie bei der nächsten Tankstelle hielten und Gaby aussteigen wollte, wurde alles schwarz vor ihren Augen, und sie sackte in sich zusammen. Viel kühles Wasser brachte sie wieder zu sich, und einen Moment konnte sie der Versuchung nicht widerstehen, ihre Augen geschlossen zu halten, um noch mehr Wasser zu bekommen, um so im Schatten liegen zu bleiben. “Warum sagst du nicht eher, daß es dir nicht gut geht?” Huberts Stimme klang vorwurfsvoll, und Gaby wußte, daß sie es wieder nicht richtig gemacht hatte.
    Abends im Hotel hatte sie Schüttelfrost, und dunkelviolette Ringe tanzten vor ihren Augen, ihr war hundeelend. “Wahrscheinlich ein Sonnenstich”, meinte Hubert. “Wer ist auch so unvernünftig und fährt stundenlang, während die Sonne einem auf den Kopf knallt.” Alex streichelte ihre eiskalte Hand, und Daniel legte ihr einen kalten Waschlappen auf die Stirn. Sie sagte, daß es ihr morgen wieder besser gehen würde, und dann wären sie ja auch in Griechenland, dem Traumland, und dann würde alles wunderschön sein.
     
    Griechenland war wunderschön. Sie hatten zwei Zimmer in einem Mittelklasse-Hotel gemietet, direkt am Meer, Palmen auf dem grobkörnigen Strand, ein wolkenlos blauer Himmel, der im Meer zu ertrinken schien. Gaby lehnte sich an die Brüstung ihres Balkons, wäre am liebsten hinaufgeflogen in dieses Blau, das so klar und rein war, das nichts verbarg, oder hineingetaucht in ihr Spiegelbild, in den Kern, dahin, wo sie sein mußte, wo sie war, wo alles begann. Hubert trat hinter sie, legte einen Arm um ihre Schulter. Sie atmete tief durch, schmiegte sich an ihn. Für einen Augenblick war es vollkommen. Nichts trennte sie, nichts war zwischen ihnen. Da waren nur er und sie und das Meer und die Unendlichkeit. Jetzt sterben, dachte sie, in diesem Moment, seinen Arm um mich, weggleiten in einen süßen, ewigen Traum. “Heh, nicht einschlafen”, er rüttelte sie sanft, zog seinen Arm fort. “Packst du schon einmal die Badesachen aus? Ich will mit den Kindern Getränke einkaufen. Der Kühlschrank muß gut gefüllt werden.” Der Kühlschrank wurde gut gefüllt, und die Sonne brannte drei Wochen ununterbrochen von dem wolkenlos blauen Himmel, und das Meer kräuselte sich friedlich.
    Sie kletterten bei sengender Hitze auf den glattgetretenen Pfaden der Akropolis, suchten den Schatten unter den Olivenbäumen in Delphi, sie kühlten ihre verschwitzten Gesichter auf einer Kreuzfahrt zwischen den Inseln Egina, Poros und Idra. Sie fuhren durch den sechs Kilometer langen Kanal von Korinth, zündeten im Pantanassa Kloster in Mistras eine Kerze an. Und wie immer, seit Anfang an, unverändert, sah Gaby zu der Marienstatue mit dem Kind und bat: “Hilf mir. Oh Gott, hilf mir.”
    Denn wohin sie auch gingen, was sie auch taten, sie blieb allein. Wenn sie am Golf von Korinth die Sonne ins Meer tauchen sahen, blutrot, ein feuriger Krieger, der für diesen Tag seine Schlacht geschlagen hatte; oder ob sie in die steilen Abgründe der Meteora Klöster bei Kalambaka blickten, dunkel und unerklärlich, Felsen, wie aus der Spielzeugkiste mitten auf eine Ebene gesetzt — für einen Moment legte er seinen Arm um sie, und wenn sie sich an seiner Nähe wärmen wollte,

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