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Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Titel: Zuckerpüppchen - Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hassenmüller
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wollte nicht mehr untätig zusehen.
    “Kinder fühlen, wenn etwas nicht stimmt”, wiederholte sie. “Warum fragt Xenia immer wieder, wem sie ähnlich sieht? Und ihre Brüder, die sich immer wieder nach der angeblichen dunkelhäutigen Tante in deiner Verwandtschaft erkundigen?”
    “Ich glaube, du hast mich nicht gut verstanden. Ich habe mein Wort an Charlott gegeben. Es ist alleine ihre Entscheidung, ob und wann sie dem Kind etwas sagt. Richte dich bitte danach.”
    Er stand am Fenster und sah auf sie herab. Sie schlug ihre Beine übereinander, umschloß sie fest mit ihren gefalteten Händen und sah zu ihm hoch. Eine grelle Frühlingssonne setzte helle Lichter in sein Haar, umgab seinen Kopf mit einer unwirklichen Aureole. Er hatte sein Wort gegeben. Natürlich, sein Wort an jemand geben war wichtig. Ganz bestimmt für Hubert. Er hatte einen so feinen Charakter. Er haßte Lügen, wahrscheinlich fiel es ihm schwer genug, sich schützend vor seine erste Frau zu stellen. Das zeigte doch nur, wie selbstlos er war. Und jetzt machte sie ihm das Leben auch noch schwer. Hatte er nicht recht, wenn er vermutete, daß sie selbst auch eifersüchtig war? Daß sie nicht großmütig darüber hinwegsehen konnte, wenn Xenia die Mensch-ärger-dich-nicht-Steine durcheinander warf? “Wenn Gaby mitspielt, spiele ich nicht”, hatte sie dabei gesagt. Und war es nicht wirklich ein Versehen gewesen, daß sie Gabys Pudel gerade an der Kreuzung von der Leine ließ, obwohl sie Xenia ausdrücklich gesagt hatte, daß der Hund ganz bestimmt nicht frei herumlaufen durfte? Glücklicherweise streifte der Radfahrer Blacky nur an seiner hinteren Pfote, und nach zwei Wochen war die Verletzung nicht mehr zu sehen.
    Sie mußte lernen, großmütiger zu sein. Über den Dingen zu stehen.
    Es schien, als wenn jedesmal, wenn sie schwanger war, es einen Jahrhundertsommer gab. Den ganzen Juni über lachte die Sonne, und Gaby genoß zusammen mit Natalie, Manfred und Hubert die Freuden dieses ersten warmen Sommers. Stundenlange Spaziergänge im Wald, Huberts Arm um ihre Schulter, während die Kinder vor ihnen her liefen, inniges Schweigen. Könnte ich diese Momente doch festhalten, dachte sie oft, sie bewahren und wie Manfred seine kleinen Schätze in einem Schuhkarton verstecken, und mich je nach Bedarf wieder in sie vertiefen. Sie hatte noch kein größeres Glücksgefühl gekannt als dieses, wenn sie Huberts Hand fest auf ihrem Arm fühlte, er sie lachend festhielt, wenn sie über eine Baumwurzel stolperte. “Paß auf, nicht schon wieder ein Schnaderhüpferl!” Bei jedem Blaubeerenbusch konnte er stehenbleiben, gebückt die kleinen Früchte in seine Hand sammeln. “Mund auf!” Mit einem kräftigen Schwung ergoß sich die süße Ernte in ihren Mund. Manchmal hatte er Manfred in seinem kleinen Rucksack ein paar Butterbrote eingepackt, die sie dann im Schatten eines hohen Nadelbaums aßen.
    Sie fühlte, wie ihr Kind sich bewegte und nahm Huberts Hand, die er wie ein Versprechen auf ihren Bauch legte. “Noch zwei Monate”, sagte sie und war eigentlich ein wenig traurig. Es war trotz aller kleiner Beschwerden eine wunderbare Schwangerschaft, sie hatte sich so nützlich und irgendwie bedeutungsvoll gefunden. Morgen reisten sie zu seiner Mutter, bei der sie die nächsten drei Wochen verbringen wollten. “Dann haben die Kinder doch auch richtig Ferien und du brauchst dich nicht mehr mit dem Haushalt zu bemühen”, hatte Hubert gesagt. Wie immer dachte er in erster Linie an sie und die Kinder.
    Die Fahrt wurde zur Strapaze. Wegen eines Unfalls kamen sie in einen Stau, und Gaby glaubte, durch die aufs Autodach brennende Sonne zu vergehen. Sie sah, daß Hubert sie immer wieder besorgt von der Seite ansah. Und obwohl wahre Schweißbäche ihren Hals hinunterliefen, war sie glücklich. Dieser wunderbare Mann, ihr Mann, war um sie besorgt, liebte sie, tat alles, um ihr die letzte Zeit der Schwangerschaft einfacher zu machen.

    Sie dachte an Muttis letzte Schwangerschaft. Als sie Mark bekam. Kein Mann hatte sich liebevoll um sie gekümmert. Wie blaß sie damals im Krankenhaus gelegen hatte. Gaby hatte sie besucht. “Geht es dir gut?” hatte sie ängstlich gefragt und Muttis Hand gestreichelt. “Natürlich. Mach dir keine Gedanken”, hatte Mutti gesagt. “Sei ein folgsames Mädchen, und hilf Pappi.” Sie war folgsam gewesen...
    Als sie endlich in Heidelberg ankamen, drehte sich alles um Gaby. Ihre Zunge lag pelzig in ihrem Mund, und ihre Augen brannten.

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