Zuckerpüppchen - Was danach geschah
reden”, sagte sie, und ihre Stimme klang entschlossen. “Ich kann nicht mehr. Ich möchte, daß du mir sagst, was du willst. Du mußt dich entscheiden. Für oder gegen mich. Aber ich kann dieses Spiel nicht mehr spielen.” — “Es ist kein Spiel”, sagte er, “und ich lasse mich von dir nicht erpressen.” Erpressen? Es war doch keine Erpressung. Sie wollte nur, daß er sich entschied. Sie hatte über drei Monate auf seine Entscheidung gewartet. Jetzt konnte sie nicht mehr warten. “Wenn du es so willst”, sagte er. “Dann gehe ich.” Sie versteinerte. “Das kannst du doch nicht meinen? Noch letzte Nacht hast du gesagt..., ich meine, du liebst mich doch, du kannst doch nicht einfach Weggehen.” Was hatte sie erwartet, daß er endlich sagen würde: “Gaby, wir fangen neu an. Ich will dich nicht verlieren.” Daß er die zärtlichen Worte im Bett bei Tageslicht wiederholte? Daß er meinte, was er sagte?
“Doch”, sagte er. “Ich kann.”
Er rief die Kinder. Blaß und aneinandergedrückt standen sie in der Tür. “Ich gehe”, sagte Hubert.“ Das hat nichts mit euch zu tun. Aber ich will für einige Zeit alleine wohnen.” Einige Zeit, er hatte einige Zeit gesagt. Nicht für immer, da war noch Hoffnung. Gaby hatte ihre Hände vors Gesicht geschlagen, sie preßte die Zähne aufeinander, um nicht laut aufzuschreien. Alex kam zu ihr gelaufen. “Mammi, Mammi, nicht weinen.” Er begann laut zu schluchzen. Und Daniel, ihr lieber, fröhlicher Daniel, rief laut und klagend: “Pappi, Pappi, tue es nicht, bitte, bitte, tue es nicht.” — “Doch”, sagte ihr Vater, “ich will frei sein.”
Wie kann er, dachte sie, fast ohnmächtig vor Schmerz, wie kann er das seinen Kindern antun? Wie kann er so mit ihnen reden?
“Wohin willst du?” fragte sie. “Es ist spät abends.” — “Ich gehe für ein paar Nächte ins Hotel. Dann suche ich mir ein Zimmer.”
Er kam noch einmal zurück. Für drei Wochen. Weihnachten stand vor der Tür, nicht die beste Zeit, um alleine in einem Untermietzimmer zu sitzen. (Ein Zimmer hatte er gleich am nächsten Tag gefunden. Seine guten Beziehungen halfen ihm.)
“Ich will”, sagte Dr. Rolveld, “daß Sie Ihrem Mann sagen, er soll zurückkommen. Laut und deutlich, in meinem Beisein. Sie haben ihn dazu getrieben. Wenn Sie nicht eine Entscheidung von ihm verlangt hätten, wäre er nicht gegangen.” — “Ich möchte, daß du zurückkommst”, sagte Gaby demütig, klein und zusammengekrümmt in der Couchecke bei ihrem Therapeuten sitzend. “Es tut mir leid, daß ich gesagt habe, daß ich nicht mehr kann. Komm zurück, und ich werde nie wieder ein lautes Wort sagen oder etwas tun, das dir mißfällt.”
Sie verabscheute sich. Sie war ein Nichts. Ohne ihn bestand sie nicht mehr, er konnte mit ihr machen, was er wollte.
Sie lebte nur noch aus zweiter Hand. Irgendwie schaffte sie es, ihre täglichen Pflichten zu erfüllen, Essen zu kochen, das Haus zu säubern, abends, bevor er kam, sich zurechtzumachen, die Haare zu kämmen, ein Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern. Zittrig und unterwürfig wartete sie, ob er geruhte, sie zu beachten, ihr Essen zu essen. “Ich habe heute keinen Appetit”, sagte er mit kühlem Blick auf die Fischplatte, die sie mit allerlei Köstlichkeiten beim Fischhändler Verhey bestellt hatte. Alex blitzte ihn wütend an. “Sonst ißt du doch immer gerne Fisch? Warum sagst du jetzt immer, ich will nicht? Mammi ist extra für dich zum Fischhändler gefahren.” Er gab dem Kind keine Antwort, vergrub sich hinter seiner Zeitung, stellte laute südamerikanische Musik an.
Sie kaufte mit den Kindern einen Tannenbaum, schmückte ihn mit ihnen zusammen. Sie briet zu Weihnachten die traditionelle Weihnachtsgans, gefüllt mit Kastanien, und dazu feinen Rotkohl mit Äpfeln. Krampfhaft versuchte sie, die Weihnachtsfeiertage für alle gemütlich und stimmungsvoll zu gestalten. Ihr Lächeln wurde zur schmerzenden Grimasse. Hubert ließ sie gnädig gewähren, sah sie oft nachdenklich spottend an, wenn sie ihn fragte, ob sie ihm einen Schnaps einschenken solle oder ob sie sonst etwas für ihn tun könne. Warum nur tue ich das, fragte sie sich verzweifelt, warum habe ich meinen Stolz verloren? Nicht ich habe ihn jahrelang betrogen, nicht ich habe etwas wiedergutzumachen. Aber ich will, daß er bleibt, ich kann ohne ihn nicht leben.
Sie besuchte Billy, eine ehemalige Kollegin vom Frauenjournal, zu der sie in den letzten Jahren eine immer freundschaftlichere
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