Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Titel: Zuckerpüppchen - Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hassenmüller
Vom Netzwerk:
gefrühstückt. Heißen Kaffee, Orangensaft, ein weiches Ei. “Heute morgen sehen Sie schon wieder etwas besser aus”, sagte die Frau, die sie bediente. “Sehen Sie einmal, wie die Sonne lacht. Und das im November.” Konnte die Sonne lachen? Sagte man das, weil Wärme Lachen und Leben bedeutete? Ohne Wärme kein Leben. Ihr war so kalt gewesen. Ja, die Sonne lachte. Sie schloß die Augen und genoß für einen Augenblick die Wärme der Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht.
    Die Kinder flogen ihr um den Hals, drückten sie, küßten sie. Alex sprang an ihr hoch wie ein Äffchen, legte beide Beine um ihre Hüften und ließ sie nicht mehr los. “Du darfst nie wieder fortgehen, Mammi”, flüsterte er an ihrem Ohr. “Nie, nie wieder.” — “Nein”, sagte sie. “Ich gehe nicht wieder fort. Nie wieder.”
    Sie konnte nicht weglaufen. Sie war kein Kind mehr.
    Und auch als Kind hatte sie begriffen, daß sie nicht weglaufen konnte. Man hatte sie eingefangen und wieder nach Hause gebracht.
    Heute hatte sie selbst Kinder. Und was auch geschehen würde, sie würde nicht mehr weglaufen. Sie hatte nur keine Kraft mehr, um zu kämpfen. Hoffnung, ja, die hatte sie noch. Hubert war lieb, besorgt, küßte sie. “Wir haben uns schreckliche Sorgen gemacht. Dein Gesicht, bevor ich zur Kantine ging, erst später habe ich gedacht, daß du vielleicht...” Er brach ab. “Die Hauptsache ist, daß du wieder da bist.” Später, als sie in seinen Armen lag, und er sie heiß und voller Begierde liebte, sagte er: “Ich dachte, ich hätte dich verloren. Alles geht doch immer irgendwie weiter. Wir müssen nur Geduld haben. Hab Geduld mit mir.” Sie nickte und weinte an seiner Brust. Er streichelte sie.
    Das Jo-Jo-Band hielt sie ganz straff und eng bei ihm.

    Dr. Rolveld machte ihr Vorwürfe. “Mit solchen Eskapaden erreichen Sie nichts. Sie treiben die Dinge nur auf die Spitze.” — “Haben Sie eigentlich Gefühle?” brauste Gaby auf. “Können Sie sich vorstellen, was die letzten Monate für mich bedeuten? Erst bricht meine Welt in Stücke, und dann, als ich bereit bin, einen Schlußstrich unter die Vergangenheit zu ziehen, sagt mein Mann mir, daß er nicht weiß, ob er mich noch liebt.” — “Vielleicht ist das das einzig Wahrhaftige, das er seit Jahren zu Ihnen gesagt hat.” Der kleine Mann sah sie unberührt an. “Haben Sie darüber schon einmal nachgedacht?” Ja, natürlich hatte sie das. Aber sie konnte es nicht glauben. Eine Liebe wie die ihre, so himmelstürmend, so überwältigend, konnte doch nicht von einem Tag auf den anderen fort sein, wie ein Flugzeug, das am Horizont verschwindet. Es war nur aus der Sicht, es war doch noch da. Man mußte es nur wieder sehen.
    Ich will alles tun, um Hubert zu überzeugen, daß ich Geduld habe, nahm sie sich zum x-ten Male vor. Ich werde jeden Tag seine Krawatte weghängen, ihm einen Schnaps einschenken, seine Lieblingsgerichte kochen. Und sie hielt sich daran. Da ihre Hände so zitterten, schenkte sie das Glas im Wohnzimmer vor seinen Augen ein, nicht in der Küche. Die Flasche mußte sie mit beiden Händen festhalten. Sie wußte nicht warum, aber ein tiefes Gefühl der Demütigung beschlich sie. Warum nahm er ihr die Flasche nicht aus der Hand und sagte: “Laß das, Gaby. Ich mach das schon.” Sie fühlte sich, als wenn sie sich vor ihm im Staub wälzte. Sie saß auf der Couch, die Zehen krummgebogen vor Angst und Anspannung und wartete auf ein gutes Wort, einen lieben Blick. Aber er hatte sein Visier wieder zugemacht. Hin und wieder nickte er ihr zu, beruhigend, wie einem kleinen Kind, mit diesem Blick: “Keine Bange, es geht schon irgendwie weiter.” Aber wie, wie sollte es weitergehen? Sie fühlte, wie jeder Tag, jede Nacht ihre Haut dünner und dünner schabte, ihre Nervenenden lagen bloß, zuckten vor jedem Augenbrauenrunzeln von ihm zusammen, verkrampften sich, wenn er schweigend auf der Couch saß, sein Schnapsglas mit den feinen Fingern hin und her drehte und soviel negative Gefühle von ihm zu ihr strömten, daß es ihr den Atem nahm. Sie fiel immer noch in Ohnmacht. Einfach so. Es hörte nicht auf. Ganz plötzlich war da ein dunkles Tuch von Angst, das über sie fiel, und bevor sie noch versuchen konnte, es zur Seite zu streifen, ihren Mund frei zu halten, sackte sie schon weg in das dunkle Loch.

    Am Tag nach Nikolaus wartete sie wieder mit einem gekühlten Schnaps auf ihn, frische Blumen auf dem Tisch, eine Kerze flackerte Gemütlichkeit. “Ich muß mit dir

Weitere Kostenlose Bücher