Zum Anbeißen süß
mit offenem Mund an, und Julie fuhr fort: “Wenn ich nur nicht so unförmig wie ein Wal wäre, würde ich dir mit Kusshand dabei helfen, die ganze Stadt tüchtig aufzumischen.”
“Die Stadt aufmischen?”, wiederholte Kate. “Weshalb sollte ich das tun?”
“Weil Chapel, Tennessee, Kate Sutherland keine Beachtung schenkt. Sie sehen in dir nur die Tochter von Terence Sutherland. Alles, was du tust, wird ihm sofort hinterbracht werden.” Julie lehnte sich zurück, legte die Hand auf ihren Bauch und lächelte zufrieden. “Wenn ich doch nur Mäuschen sein könnte …” Doch sie verlor keine Zeit. “Los, hol deinen Terminkalender, damit wir eine Liste machen können.”
“Eine Liste wovon?”
Julie hob amüsiert die Augenbrauen. “Eine Liste all der Dinge, die böse Mädchen gern tun.”
Alles hätte Kate damals auf der Highschool dafür gegeben, zu den bösen Mädchen zu gehören. Es war nicht die Freiheit, die sie ihnen neidete, oder ihre Verachtung für jede Art von Autorität. Nein, sie hatte sie nur beneidet, weil sie den Mut besaßen, die älteren Schüler anzusprechen und mit ihnen zu flirten, selbst mit Mitch McKee.
“Hörst du mir eigentlich zu?”, fragte Julie.
“Nicht richtig.” Kate lächelte, als Julie sie etwas befremdet anschaute. “Ich habe nur gerade an Mitch gedacht. Es war ein Schock, als ich ihn gestern Abend sah.”
“Das kann ich mir vorstellen. Er sieht noch besser aus als damals, findest du nicht?”
Besser?, überlegte Kate. Nein, eigentlich nicht. Aber er wirkte gefährlicher. Das hatte sie gestern in seinen Armen ganz deutlich gespürt. Plötzlich hatte sie sich wieder wie eine Siebzehnjährige gefühlt. “Er sieht gut aus”, bemerkte Kate betont gleichgültig, um ihrer Freundin keinen Anlass zum Nachhaken zu geben.
“Vielleicht kann Mitch dich ja unter seine Fittiche nehmen bei deinen Versuchen, dich in ein böses Mädchen zu verwandeln. Er hat in dieser Beziehung ja reichlich Erfahrung”, fuhr Julie eifrig fort.
“Das ist keine gute Idee.” Aus tausend Gründen. “Er scheint sich jetzt mit meinem Vater sehr gut zu verstehen. Das wird er wohl nicht meinetwegen aufs Spiel setzen wollen.” Es war wirklich zum Auswachsen. Die einzigen beiden Männer, die sie immer hatte beeindrucken wollen, übersahen sie einfach. Da konnte selbst die vernünftigste Frau Lust bekommen, auf ihre Bravheit zu pfeifen.
Draußen hupte ein Auto, und Kate trat ans Fenster und sah hinaus. Vor der Tür stand ein nagelneuer goldfarbener Mercedes. Der Händler stellte ihr für ihren Aufenthalt in der Stadt ein Auto zur Verfügung, und natürlich zahlte ihr Vater dafür. Er gab ihr zwar keine Liebe, doch mit Geld war er immer großzügig gewesen, solange sie sich ordentlich benahm. Bei dem Gedanken daran musste sie lächeln. Einen Wagen hatte sie bereits in den Graben gefahren, das war immerhin ein Anfang. Sie drehte sich zu Julie um. “Weißt du was? Ich werde versuchen herauszufinden, ob du recht hast. Mal sehen, wie mein Vater es findet, eine achtundzwanzigjährige Rebellin zur Tochter zu haben.”
“Sie hat was getan?” Mitch traute seinen Ohren nicht. Hatte er Al, den Besitzer eines kleinen Restaurants, am Telefon wirklich richtig verstanden?
“Diese Kate Sutherland hat den alten Henry in mein Restaurant geschleppt, genau zur Hauptessenszeit. Sie hat ihm gesagt, er könne bestellen, was er wolle. Ich sollte die Rechnung an ihren Vater schicken. Verdammt, in meiner Kasse werden heute Mittag sicher zweihundert Dollar weniger sein. Du weißt ja, wie der alte Kerl stinkt.”
Das wusste Mitch allerdings. Zu oft schon hatte der alte Henry im Gefängnis seinen Rausch ausgeschlafen. “Na ja, Al, du weißt, dass es nicht eigentlich illegal ist, jemandem ein Mittagessen zu spendieren.”
“Aber das ist doch Hausfriedensbruch und Geschäftsschädigung und ich …”
“Ich werde mit ihr reden, Al, aber ich kann sie nicht verhaften. Sie würde auch sofort Anzeige gegen dich erstatten wegen Diskriminierung.”
“Aber habe ich nicht das Recht, jemandem die Tür zu verbieten, wenn er mir das Geschäft kaputt macht? Ich rufe jetzt Terry Sutherland an und frage ihn, was ich tun soll.”
Das war wohl als Drohung gemeint, aber Mitch war nicht weiter beunruhigt. Nachdenklich legte er den Hörer auf. Terry Sutherland sollte seine Tochter mal übers Knie legen und ihr eine ordentliche Tracht Prügel verpassen. Worte allein würden da wohl nicht viel ausrichten, den Eindruck hatte er gestern
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