Zum Anbeißen süß
stille Mädchen, das traurige Mädchen. “Ich erinnere mich sehr wohl, aber du bist offensichtlich zu selbstgefällig geworden, um zu bemerken, was hier vorgeht. Wie mein Vater …”
Mitch sagte nichts, und er brauchte es auch nicht. Sie sah seinem Gesicht auch so an, dass sie bei ihm einen wunden Punkt getroffen hatte. Bingo!
“Was hat denn dein Vater damit zu tun?”
“Nichts.” Sie versuchte, die Situation zu retten. “Er und Al sind doch so dicke Freunde, dass ich dachte, es würde Al nichts ausmachen, wenn ich mit Henry hier aufkreuze.”
“So, so.” Mitch hielt ihren Blick fest.
Kate fühlte sich, als hätten alle Gäste das Restaurant verlassen und sie und Mitch wären allein. Ein heißer Schauer überlief sie.
Da unterbrach Henry die spannungsgeladene Stille. “Kann ich jetzt gehen?”
Mitch stand auf und machte dem alten Mann Platz. “Selbstverständlich.”
Henry blickte Kate kurz an und murmelte ein Dankeschön. Dann verließ er eilig das Restaurant.
“Du hast Glück, dass er keinen Herzanfall bekommen hat”, sagte Mitch und setzte sich wieder.
“Wie kommst du denn darauf?”
“Du weißt genau, dass sein Leben nach einem bestimmten Schema abläuft. Er hat seine Freunde, hat Menschen, die sich um ihn kümmern. Und nun schleppst du ihn hierher und erwartest, dass er in Gegenwart all dieser Leute in Ruhe sein Mittagessen verzehrt, dazu noch mit der Tochter des bekanntesten und reichsten Bürgers der Stadt, die übrigens”, Mitch musterte sie von oben bis unten, “wie ein Model aussieht.” Mitch schüttelte langsam den Kopf. “Bei dem Stress würde sogar ich Probleme mit meinem Herzen bekommen.”
Bei dem Wort “Herz” blickte Kate unwillkürlich auf Mitchs Brustkorb, und sie fragte sich, wer wohl in all den Jahren das Glück gehabt hatte, sich an ihn zu schmiegen und seinem Herzschlag zu lauschen. Wieder ging die Fantasie mit ihr durch, und wieder fiel ihr keine schlagfertige Erwiderung ein. Aber vielleicht war das momentan auch nicht wichtig. Sie hatte etwas getan, was in der Stadt als ungehörig galt, und damit ihr erstes Ziel erreicht.
“Kann ich jetzt gehen?”, fragte sie.
Mitch ließ sich mit seiner Antwort Zeit und sah sie nachdenklich an. Dann sagte er: “Bist du sicher, dass ich dir nicht irgendwie behilflich sein kann? Ich kann sehr gut zuhören.”
Wenn er wüsste, wie gern sie sein Angebot annehmen würde! Aber sie durfte ihr Ziel nicht aus den Augen verlieren. Sie brauchte keine Hilfe. Sie musste ihrem Vater nur ein, zwei Sachen beweisen. Sie hatte einen Plan.
“Nein, danke, mir geht es wunderbar.” Sie stand auf. “Man sieht sich.”
Mitch blickte ihr nach, als sie das Restaurant durchquerte. Al war inzwischen zu ihm gekommen und murmelte etwas von einem Schild, das er aufhängen wollte. Er habe schließlich das Recht, nicht jeden als Gast zu akzeptieren.
Kate öffnete die Eingangstür, und bevor sie in den Sonnenschein hinaustrat, blickte sie noch einmal zurück. Mitch fing ihren Blick auf, und was er darin las, signalisierte ihm zweierlei. Erstens, er würde noch Ärger bekommen. Er selbst hatte in seiner Jugend genügend angestellt und kannte diesen Blick. Sie hatte etwas vor, und wenn Mitch auch noch nicht wusste, was, so war ihm doch klar, dass er sich damit würde auseinandersetzen müssen. Der zweite Punkt war persönlicher und hatte nur etwas mit seinem Gefühl zu tun. Besser gesagt mit Sex. Zwischen ihnen konnte sich etwas anbahnen, und Mitch spielte noch nicht lange genug den ehrbaren Bürger, um dem aus dem Weg zu gehen.
3. KAPITEL
“Ruf ihn doch lieber an”, schlug Carrie, Kates Schwester, vor. “Du weißt doch, dass unser Vater überraschende Besuche nicht ausstehen kann. Das Baby hat seinen ganz bestimmten Tagesablauf und …”
“Um Himmels willen, wir wollen es auf keinen Fall stören”, sagte Kate leicht sarkastisch. Sie konnte sich nicht erinnern, dass ihre Mutter solch eiserne Regeln festgelegt hatte, als sie Kinder waren. Das war wohl eher die Vorstellung ihres Vaters von einer vernünftigen Erziehung. “Du meinst also, ich soll mit meinem eigenen Vater einen Termin ausmachen? Machst du das etwa?”
“Selbstverständlich. Es zeugt von ausgesprochen schlechten Manieren, jemanden einfach unangemeldet in seinem Haus zu überfallen.”
“Auch wenn man früher mal in dem Haus gelebt hat?” Kates Erinnerungen an ihre Kindheit und an ihre Mutter waren mit diesem Haus verbunden, in dem ihr Vater jetzt mit seiner neuen Familie
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