Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)
endgültig in ein Monster.
Und meine Heimatstadt lag direkt auf dem Weg, den der Sturm nun wählte.
Am 17. August 1969 wurde Biloxi, Mississippi, von dem Hurrikan in Schutt und Asche gelegt. Mein Vater war damals in Vietnam. Er war als Navy-Offizier dem Military Assistance Command Vietnam (Oberkommando der US-Streitkräfte in Südvietnam) zugeteilt. Im Gegensatz zu seinen früheren Fahrten als Kapitän eines Zerstörers kämpfte er dieses Mal an Land. Der Vietnamkrieg hatte gerade seinen blutigen Höhepunkt erreicht, und mein Vater hatte uns in Biloxi zurückgelassen, wo wir auf seine Rückkehr warteten.
Mit zwölf war ich der Mann im Haus. Als ältester Sohn eines Marineoffiziers war ich diese Rolle bereits gewöhnt. Wir hatten schon in so ziemlich allen Städten mit Marinestützpunkten, von Newport bis Pearl Harbor, gewohnt; als ich in der sechsten Klasse war, hatte ich fünf verschiedene Grundschulen besucht. Abgesehen davon, dass wir im Krieg unseren Vater verlieren konnten, hatten wir Kinder ein wirklich sorgloses Leben. Jetzt war es Hochsommer, und wir hatten unsere Freude am Radfahren und am Eisessen und an unseren neuen Freunden in der neuen Stadt.
Die Wetterdaten waren damals nicht so gut wie heute, und selbst der beste Meteorologe hätte die zerstörerische Kraft von Camille nicht in ihrem ganzen Ausmaß vorhersagen können. Wir hatten jedenfalls keine Ahnung, und so blieben wir in der Stadt, als sich der Hurrikan nach Norden wandte.
Nur wenige Stunden bevor der Sturm uns erreichte, zogen wir aus unserem Haus direkt an der Küste in ein mehrstöckiges Strandhotel um. Rückblickend gesehen war dieser Umzug absurd, aber er rettete uns das Leben.
Mein Bruder, meine Schwestern, meine Mutter und ich überstanden den Sturm in einem der wenigen Gebäude der Stadt, die ihm standhielten, einem in den 1920er-Jahren erbauten Hotel am wichtigsten Strand von Biloxi. Als wir am Morgen nach dem Sturm aufstanden, war die Stadt von der Landkarte gefegt.
In der Umgebung des Hotels lagen hochseetüchtige Frachter, die das Hochwasser mehrere Hundert Meter aufs Land geschwemmt hatte. Leichen hingen in den Bäumen. Schutt, tote Tiere, Garnelenboote, Autowracks und die schlammgetränkten Habseligkeiten der Toten waren kilometerweit verstreut. Biloxi existierte nicht mehr.
Ich fand unseren Kombi 800 Meter vom Hotel entfernt. Er lag in den traurigen Überresten eines Dairy-Queen-Fast-Food-Restaurants auf dem Dach. Für unser Haus hofften wir freilich das Beste, aber als uns die Nationalgarde auf die andere Seite der Bucht brachte, mussten wir feststellen, dass der Sturm das ganze Viertel zu Kleinholz verarbeitet hatte. Alles war mit Schlamm bedeckt. Es sah aus wie in einem Kriegsgebiet. Nein, schlimmer.
Nirgends gab es Nahrung oder Wasser. Verstörte Überlebende wanderten weinend durch die Trümmerlandschaft. Polizei, Katastrophenschutz und überhaupt staatliche Hilfe fehlten völlig. Camille war ein großer Gleichmacher: Er hatte alle Überlebenden zu mittellosen, schlammbespritzten Flüchtlingen gemacht. Klassenzugehörigkeit und Besitz spielten keine Rolle mehr. Das Furnier der Zivilisation war weggerissen. Das Kriegsrecht wurde verhängt und in der Nacht peitschten Schüsse, wenn die Überlebenden gegen Plünderer kämpften.
Mein Vater war noch immer in Vietnam. Wir hatten keine Möglichkeit, mit ihm Kontakt aufzunehmen; keine Möglichkeit, ihm oder jemandem in seiner Umgebung mitzuteilen, wo wir waren und dass wir noch lebten. Meine Mutter war wie gelähmt, überwältigt von Schock und Trauer. Wir konnten nichts anders tun, als auf den Trümmern zu sitzen und zu warten.
Drei Tage lang lebten wir in den Trümmern unseres Hauses und gruben Dosen mit Essen und Limonade aus dem Schlamm. Schließlich bekam mein Vater wegen der Katastrophe Urlaub. Er reiste 16 000 Kilometer mit Flugzeug, Bahn und Lastwagen, bis er uns in den Resten seines Hauses fand. Wir hatten alles verloren außer einander. Als mein Vater zu Hause war, bauten wir unser Leben langsam wieder auf.
Der Schlamm von Biloxi war es, der für meine Trennung von Gott verantwortlich war. Ich war noch keine 13 Jahre alt, als ich erlebte, wie eine Stadt zerstört wurde, als ob sie mit einem Bombenteppich belegt worden wäre. Wenn dies das Werk von Menschen gewesen wäre, zum Beispiel in einem Krieg, dann hätte ich es verstehen und verzeihen können. Doch es war nicht das Werk von Menschen.
Es war ein Werk Gottes.
In den Trümmern unseres Hauses verfluchte ich
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