Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)
Zivilkleidung, die wir irgendwo versteckt hatten, in die Stadt. Wer sich unerlaubt aus der Schule entfernte und in der Stadt Bier trank, riskierte den Schulausschluss. Im Gegensatz zu den Gefangenen der deutschen Lager waren unsere Fluchten immer eine Rundreise; wir kamen immer bei Nacht zurück und lagen beim Wecken wieder in unseren Kojen.
In Staunton lernte ich noch eine weitere lebenswichtige Fertigkeit: wie man sich verstellt. Ich lernte, meine Schuhe auf Hochglanz zu polieren, meine Uniform zu bügeln und »Yes, Sir« zu sagen. Ein Kadett an der SMA lernt, sich tagsüber unterzuordnen und nachts über die Stränge zu schlagen.
Ich kann nicht sagen, dass mir die Schule gefiel, aber sie bekam mir durchaus. Meine Noten verbesserten sich von sehr schlecht auf gut bis sehr gut. Ich bekam Auszeichnungen in Leichtathletik und Football. An dem Tag, als ich meinen Abschluss machte, hatte ich die Zulassung bei der U.S. Naval Academy und das Angebot von drei Vollzeitstipendien des Reserve Officer Training Corps (ROTC). Der Hippiesurfer war in einen Patrioten verwandelt worden.
Was ich tat? Ich suchte mir eine Hochschule in Kalifornien aus, wo ich es nicht weit zur Brandung hatte. Ich trat jedoch in Annapolis nicht zur Ausbildung an und lehnte die ROTC-Stipendien ab. Ich hatte genug vom Militär – dachte ich wenigstens. Mein Vater war natürlich enttäuscht, aber er bedrängte mich nie, weil ich Annapolis verschmäht hatte. Er sprach das Thema einfach nicht an, und ich danke ihm für seine Nachsicht.
Nach Staunton war das College ein Kinderspiel. Auf der SMA hatte ich gelernt, wie man lernt und seine Zeit einteilt. An der California State University in Northridge gehörte ich als Sportler zur Unimannschaft, bekleidete ein Amt in meiner Stundentenverbindung und hatte einen Vollzeitjob. Trotzdem bekam ich meistens Bestnoten. Ich studierte Klinische Psychologie und freute mich darauf, meinen Doktor zu machen und in den Vorstädten meinen Beruf auszuüben.
Doch es sollte anders kommen.
Ich verliebte mich. Es war eine tiefernste, allumfassende und leidenschaftliche Liebe zu einer Frau, die ich schon in Newport kennengelernt hatte. Lisa Wheaton war die Tochter eines Professors, der wie mein Vater am Naval War College lehrte. Etwa um die Zeit, als ich nach Staunton verfrachtet worden war, war Lisas Vater, ein Colonel beim Corps of Engineers nach Deutschland versetzt worden. Lisa und ich hatten einen regen Briefwechsel geführt, und als sie zurück in die USA kam und am Mount Holyoke College in Massachusetts studierte, wurde ich zum Vielflieger. Wir verbrachten unser Auslandssemester zusammen, oder fast zusammen, in Großbritannien. Lisa besuchte die University of London und ich die University of Bath. Wir sahen einander jedes Wochenende und reisten in den Ferien zusammen durch England, Schottland und Irland.
Als wir in die USA zurückkehrten, kühlte sich unsere Beziehung jedoch ab. Nicht bei mir, aber bei ihr. Als ich mit dem weiterführenden Studium begann, machte sie Schluss. Wir hatten für unsere Trennung quälend lange gebraucht und sie war durch extremen Anstand auf beiden Seiten gekennzeichnet gewesen. Wir waren einander wichtig. Ja, wir hatten einander geliebt, aber die Liebe war uns abhandengekommen. Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ich auf überaus nette Art verlassen wurde.
Wie es bei Egozentrikern oft der Fall ist, war ich am Boden zerstört. Nichts war mir mehr wichtig. Nicht, dass ich meinen Doktor machte, nicht, dass ich Psychologe wurde. Einfach nichts.
Ich hatte das Wichtigste in meinem Leben verloren, und nun war ich haltlos und einsam.
Doch eines Tages, als ich über das Universitätsgelände ging, traf mich die Erkenntnis wie ein Schlag. Ich würde meine Zwanziger damit verbringen, einen Weg zur Bibliothek abzunutzen. Noch drei Jahre Studium, eine Doktorarbeit, ein Praktikum, und dann müsste ich für den Rest meines Lebens versuchen, reiche weiße Damen von ihrer Spinnenangst zu heilen.
Das konnte doch nicht das Leben sein! Mein Vater hat sieben Sterne auf der Bandschnalle seiner Vietnam Service Medal … ja wirklich, sieben. Ich weiß noch, wie ich als Junge auf dem Pier stand und darauf wartete, dass er mit seinem Zerstörer anlegte. Es war wie ein Karneval. Bands spielten und Hunderte von Frauen und Kindern drängten sich auf dem Pier, schwenkten Schilder und hatten Luftballons in der Hand. Alle warteten auf ihre Väter und Ehemänner, die nach einer Reise um den halben Erdball
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