Zum Teufel mit David!: Roman (German Edition)
Melissa, eine Gesellschaft in so großem Stil zu geben – wenn man einmal davon absah, daß es nicht Melissas Art war, Dinge zu verkleinern. Polly erinnerte sich daran, schon während ihrer Schulzeit Bekanntschaft mit dieser Eigenart gemacht zu haben. Wenn sich Melissa je einen so gewöhnlichen Gedanken gestattet hätte, dann hätte sie »Gib mit allem an, was du hast« zu ihrem Motto erkoren. Sie hatte seinerzeit von allen Schülerinnen das am besten ausgestattete Federmäppchen, den glänzendsten Lederranzen, die teuerste Garnitur mit Haarbürste, Handspiegel und Kamm sowie dazu passendem »Manikürtäschchen« besessen und auch sichergestellt, daß jeder ihre Kostbarkeiten gebührend zur Kenntnis nahm. Ihr Licht unter den Scheffel zu stellen – oder ihren verschwenderisch gefüllten Geldbeutel vor den neugierigen Augen anderer zu verstecken – war für sie gleichbedeutend mit Zweckentfremdung.
Offenbar hatte sich Melissa seit jenen Tagen nur wenig verändert. Ihre Gläser waren samt und sonders aus Kristall und tadellos poliert, aber für Pollys Geschmack viel zu protzig, das Silber geschmacklos und zu reich verziert und die Blumenarrangements so mächtig, daß man sich unmöglich quer über den Tisch unterhalten konnte.
Ein Blick auf die Versammlung von schönen Frauen und wohlhabend aussehenden Männer verriet Polly, daß Melissa immer noch größten Wert darauf legte, sich die Leute zu Freunden zu machen, die sie für die »richtigen« hielt. Damals in der Schule hatte Polly Melissas Eifer, sich bei gewissen Mädchen lieb Kind zu machen und damit ihren gesellschaftlichen Aufstieg zu sichern, gar nicht so sehr bemerkt. Erst jetzt, als sie daran zurückdachte, registrierte sie, daß diese Mädchen entweder Eltern mit eindrucksvolle Titeln gehabt hatten oder selbst adelig gewesen waren.
Sie erinnerte sich düster an bissige Seitenhiebe auf Menschen, die »nach Geschäften rochen«, und daran, wie sehr sich Melissa über diese Anspielungen aufgeregt hatte. Damals hatte Polly nie verstanden, worum es überhaupt ging – sie fand, daß Geschäfte und Läden himmlisch rochen, nach geröstetem Kaffee, frisch gebackenem Brot oder anderen verführerischen Düften. Nur beim Eisenwarenhändler, der auch abgewogenes Knochenmehl verkaufte, stank es meistens fürchterlich.
Der glücklichste Tag in Melissas Schulzeit war der gewesen, an dem ihr Vater in den Ritterstand erhoben wurde und sein Name zu Neujahr auf der Ehrenliste erschien. »Ihre Mutter ist jetzt endlich eine Lady«, kommentierte ein scharfzüngiges Nymphchen die Vorgänge. – »Das ist mehr, als man von deiner behaupten kann, meine Liebe«, erwiderte ein anderes.
Polly ließ ihren Blick zur anderen Seite des Tisches schweifen. Sheldon, Melissas Mann, bewunderte Thalia in unangenehm auffallender Weise.
Polly fragte sich, warum Melissa diesen Menschen geheiratet hatte. Hatte sie ihre Hoffnungen auf einen eigenen Titel aufgegeben und sich mit dem »schlichten« Zutritt zu Debrett zufriedengegeben? Bestimmt konnte ihr Sheldon das bieten, ansonsten gab es kaum etwas, das zu seinen Gunsten sprach. Sein Hals quoll über den Hemdkragen, er hatte dicke, fleischige Hände, und es schien, als müßte er eine Frau nur ansehen, um vor Gier nach ihr ins Geifern zu geraten.
Über Geschmack ließ sich natürlich nicht streiten, möglicherweise hatte er ihr Herz im Sturm erobert. In jüngeren Jahren war er vielleicht auf forsche Weise charmant gewesen, oder er hatte eine Nase für die lukrative Chance gehabt. Melissa war eine großartige Partie – das einzige Kind eines reichen Vaters und eine Frau, die versessen auf erfolgreiche Männer war und ihren eigenen Mann zu Ruhm und Berühmtheit anspornen würde. Möglich, daß er sich, was den Erwerb eines Titels betraf, ebenso auf sie verließ, wie sich ihre Mutter auf ihren Vater verlassen hatte.
Welchen Grund es auch für diese Heirat gegeben haben mochte, Polly hoffte, daß sie Melissa Glück gebracht hatte. Melissa war schon immer außergewöhnlich herrschsüchtig und tyrannisch gewesen – offensichtlich hatte sie diese Eigenschaft bis heute noch nicht abgelegt –, aber sie konnte auch auf ihre Weise liebenswürdig und nett sein. Sie hatte etwas Besseres verdient als einen Mitgiftjäger. Einmal, als Polly im Internat wegen eines hartnäckigen Hustens auf die Krankenstation verbannt worden war, hatte Melissa umgehend ihre Mutter angerufen und veranlaßt, daß sie Polly ihre ganze Sammlung von Georgette Heyer-Büchern
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