Zungenkuesse mit Hyaenen
Pompadour wird gespielt von Kuki Bobito, die in diesem Jahr zur beliebtesten Tatort-Kommissarin Deutschlands gewählt worden ist. Kukis Pompadour hat uns die Aufmerksamkeit der internationalen Presse gebracht. Eine Zwei-Meter-Afrikanerin mit rollenden gelben Augenbällen im Rokoko-Kleidchen, das traut sich nur, wer die Zeichen der Zeit erkannt hat. Wir sind die Guten. Die Guten sind auch nicht besser.
Die bedeutendsten Rizzer Persönlichkeiten sitzen in den mittleren Reihen des Parketts: der Oberbürgermeister, der Direktor der JVA, der Chef der Sparkasse, der Polizeichef, der Mercedes-Filialleiter.
Gritli trägt eine herrliche rote Lockenperücke aus Echthaar, einen roten Hosenanzug und grüne Kontaktlinsen. Ich sitze neben ihr in der Loge. Mutter, die stolz auf mich ist, und Benedikt von Rube, mein leiblicher Vater, sitzen direkt hinter uns.
Der Tod der Müllerin bleibt in der kollektiven Erinnerung von Rizzals Teil des Doppelselbstmords eines großen Liebespaares verankert, Müllers Tod als dessen Vollendung. Ihr Grabmal auf dem Zentralfriedhof ist ein Denkmal für romantische Liebe, das Tadsch Mahal von Rizz.
Mit meinem Wissen darum, wie die Rote Müllerin wirklich starb, habe ich mir Müllers Meute gefügig gemacht. Teuben besorgt mir Pillen, Gürkchen leckt mir den Arsch, David kleidet mich umsonst ein, und Kuki Bobito zieht ab und zu für mich ihre Schnellfickerhose an. Mutter hat unser Haus in Grimmelshausen verkauft und ist zu Big Ben gezogen. Gritli und ich wohnen seit einiger Zeit in Müllers Gelber Villa. Wir planen eine große Doppelhochzeit. David wird unsere Roben entwerfen. Miss Marple führt uns den Haushalt, Pilz fährt meinen Bentley, Gonzo ist mein Bodyguard, und Klarhabbisch, der das Leuchtturmbistro verkauft hat, fährt Gritli in ihrem Öko-Porsche herum. Unsere Orgien sind nicht so streng hetero wie die legendären von Müller, Dingenskirchen multikulturell offenhezzischer geworden. Ich habe eine eigene Kundennummer bei der Taxizentrale und genieße den Sunsettarif im »Aphrodite«.
Big Ben, der hinter mir sitzt, beugt sich zu mir nach vorn und nimmt die kalte Pfeife aus dem Mund: »Sagt ein Schwuler zum anderen: Du hast ja einen richtigen Apfelarsch! Sagt der andere: Klar, da war auch grad noch ein Wurm drin! Hahahahaha!«
Ich drücke Gritlis Hand, wir sehen uns an.
»Scheiße«, flüstert Gritli, »alles gut gegangen.«
Es geht uns gold. Wir sind verlogen. Wir sind käuflich. Wir trennen den Müll. Wir wissen nicht, was Liebe ist. Wir haben unseren Platz in der Gesellschaft gefunden. Ganz oben.
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Informationen zum Buch
„Man liest weiter, obwohl man so etwas niemals lesen wollte.“ Peter Sloterdijk
Das dort ist Meikel, ein Landei, eine männliche Jungfrau, ein 33-jähriges Baby. Er drückt sich die Nase platt an den Schaufenstern der großen Stadt Rizz. Bald wird er sich verlieben in eine Frau, die ebenso schön wie tot ist: die Rote Müllerin. Er wird Reporter werden, um ihren Tod aufzuklären. Er wird Freunde und Feinde haben, in den exklusivsten Zirkeln von Rizz verkehren, Zungenküsse mit Hyänen tauschen, einen Teufelspakt schließen und einen Drachen töten. Am Schluss wird er untergehen und wieder auferstehen: als Mann.
Lasterhaft Liebende im Großstadtdschungel, ein Prachtexemplar des aussterbenden weißen Mannes und die schönste Leiche der Saison – ist Else Buschheuers Roman ein modernes Märchen, das von Quentin Tarantino verfilmt werden will? Ist das sozialistischer Realismus im Theater des Westens? Eine Burleske mit hohen Absätzen und kurzen Hauptsätzen? Ein Crescendo der Unerhörtheiten? Oder einfach nur pure Lesefreude, die einen sagen lässt: Endlich wieder ein Roman von ihr!
„Es geht uns gold. Wir sind verlogen. Wir sind käuflich. Wir trennen den Müll. Wir wissen nicht, was Liebe ist. Wir haben unseren Platz in der Gesellschaft gefunden. Ganz oben.“
Informationen zur Autorin
Else Buschheuer wurde in Eilenburg/Sa. geboren. Bekannt wurde sie als Fernsehmoderatorin und Buchautorin. Von 2001-2005 lebte sie in New York City; vielbeachtet waren ihre Berichte über die Anschläge vom 11. September. Heute wohnt Else Buschheuer in Leipzig. Sie arbeitet u. a. für den mdr, für "Spiegel", "Süddeutsche" und "Tagesspiegel". Ihre Romane "Ruf! Mich! An!" (2000), "Masserberg" (2001), "Venus" (2005) und "Der Koffer" (2006) waren Bestseller.
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