Zur freundlichen Erinnerung
erste Nacht lehnte Peter schlaflos an der kalten Tür. Als die Wärter in der Frühe aufschlossen, mußten sie fest drücken, bis seine steife Gestalt nachgab und endlich, als sie wütend fluchten, mechanisch etliche Schritte in den Raum machte. Während die Wärter die Brotration auf die Pritsche legten und den Kaffee in die blecherne Tasse gossen, stand der Gefangene die ganze Zeit unbeweglich und zusammengeschrumpft da. Sie achteten nicht weiter darauf und schlossen geräuschvoll wieder die Tür.—
Jetzt war Licht. Die Gefängnisuhr schlug sieben.
Peter schaute schüchtern im Raum herum und begann zu gehen. Ging
stoisch die Wände lang. Immer zehn Schritte der Länge nach und zwölf
Schritte der Breite nach. Den ganzen Tag, ohne innezuhalten, wenn man
Essen oder Abendbrot brachte.—
Erst als das Licht beim Hereinbruch der zweiten Nacht verlosch, legte er sich auf die Pritsche, zog die rauhe Decke üher sich und schlief wie immer. Jäh erwachte er in der anderen Frühe. Es war stockdunkel. Er griff in die Gegend des Abortes, als suche er etwas oder wolle Licht anstecken und stieß dabei so hastig an die Wand der Wasserkanne, daß dieselbe mit einem Knall auf den Boden fiel und klatschend die Flüssigkeit aus ihr peitschte. Erschreckt schwang sich Peter von der Pritsche, hielt seine aufgeknöpften Kleider raffend zusammen und lauschte aufmerksam.—
Jetzt schlug es fünf. Er atmete auf und begann unsicher und vorsichtig umherzutasten. Auf einmal fühlte er die Nässe an seinen Füßen.
"Herrgott! Herrgott!" brummte er mürrisch und besann sich. Aber in diesem Augenblick räkelte wer an der Tür. Ein Atmen wurde vernehmbar, das Licht in der hohen Decke flammte auf und wieder standen die kahlen Mauern ringsherum, das kleine Loch glotzte in den totenstillen Raum.
"Was machen Sie denn da?!… Sind Sie ruhig!" brüllte der Wärter draußen ärgerlich. Peters Finger streckten sich und ließen von den Kleidern. Seine Hose fiel langsam herab. Ein Zittern schüttelte seinen ganzen Körper.
"Es ist schon fünf Uhr vorbei, ich muß weg!" hauchte er gedämpft.
—Aber es war schon wieder dunkel. Und still.—
Erst nach einer Weile brachte Peter die Kraft auf, seine Hose hochzuziehen, und tastete sich zur Pritsche, legte sich darauf. Sein Herz schlug hörbar und mit jedem Uhrenschlag erregter. Um sechs Uhr schwang er sich empor und blieb dann hölzern sitzen.
Das Licht griff endlich wieder von der hohen Decke in den Raum. Die Tür öffnete sich unter dem Knarren der Schlüssel. Ein Wärter stellte das Frühstück herein und der andere an der Tür warf den Aufwischlumpen her und beide brummten und schimpften wegen des Wasserumschüttens, hießen Peter aufwischen. Fast froh darüber ergriff dieser den Lappen, kniete hin und wollte alles möglichst in die Länge ziehen. Aber die Wärter zeterten und trieben zur Eile.
"Vorwärts! Vorwärts! Glauben Sie, wir sind zu Ihrer Unterhaltung da!
… Marsch! Marsch! … So … fertig!"
Sie rissen ihm den Lumpen aus der Hand und waren schon draußen. Wieder wich die Tür in die Wand zurück. Die Schlüssel knirschten. Das Guckloch starrte wie ein gräßliches, ausgestochenes Auge in den kahlen Raum.
Peter kniete benommen da. Lange.
Es war still! Still!!
Fürchterlich still!
Wie ein aufgescheuchtes Tier hob der Kniende plötzlich den Kopf, schaute scheu um sich und sprang mit einem Satz an den Abort, hob den Deckel und schloß ihn hastig wieder, hob und schloß.
Die Spülung rauschte. Auf und zu klappte der Deckel. Es krachte, rauschte. Immer hastiger, schneller, motorisch riß Peter auf und zu, auf und zu, immerfort, immerzu, nur um die Stille nicht mehr zu hören, hob und deckte zu, es rauschte, rauschte—bis der Wärter schrie: "Sie!! … Sie! Sind Sie verrückt geworden!!—Passen Sie auf! … Man ist schon mit anderen fertig geworden! … Warten Sie, Sie!!"
So erschrocken war Peter, daß er noch lange zitterte, dann ging er hastig wieder die zehn und die zwölf Schritte. Den ganzen Tag.—
Viele, viele Tage, jedesmal um fünf Uhr früh, erwachte Peter so jäh. Immer griff er hinüber zum Abortdeckel, wollte Licht anstecken, sprang auf, brachte seine Kleider in Ordnung,—machte etliche Schritte, stieß an die kalte Tür und prallte zurück.
Neunzehnunddreiviertel Jahre gleichmäßiges Aufstehen lassen sich schließlich nicht aus der Gewohnheit auslöschen.
Um sechs Uhr pfiff es. Wenn er am Hebel stand undihn herumriß, fing der mächtige Koloß der Fabrik zu surren
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