Zur Liebe verführt: Roman (German Edition)

himmlisch.« Sie zog die Schultern hoch und griff nach Claires Notizblock. »Du hast mich Raffinesse gelehrt, also wende ich sie an.«
    »Bis dir der Geduldsfaden reißt und du ihm mit der Pfanne eins überbrätst?«
    »Ich bin eher für Handschellen«, sagte Anna seufzend. »Achtzehn Jahre reichen als Geduldsprobe.«
    Claire zog Anna lachend an sich. »Keine Sorge, meine Liebe, er wird zur Besinnung kommen. Allein die Tatsache, dass er noch immer da ist, obwohl er weiß, dass morgen die Jungen kommen, beweist, dass er dich sehr lieben muss.«
    Claire nannte Annas Brüder noch immer Jungen, obwohl sie erwachsene Männer und so schlagkräftig waren, dass sie es mit einer kleinen Armee aufnehmen konnten. »Die sollen nur keinen Unfug machen, sonst gehe ich mit der Flinte auf sie los«, warnte sie.
    »Sieh an, diese Heftigkeit. Du liebst ihn wohl sehr?«
    Anna sah Claire verzweifelt an. »Ja. Und er muss mir seine Liebe gestehen, ehe ich vor den Traualtar trete. Es genügt nicht, dass ich von seiner Liebe weiß; ich muss es von ihm selbst hören.«
    »Das wirst du«, beruhigte Claire sie energisch, nahm ihr den Notizblock ab und zog den Stift aus der Drahtspirale. »Wenn es mit dem Pyjama nicht klappt, gebe ich dir mein Hochzeitsgeschenk früher. Das müsste seine Wirkung tun. So, und jetzt sage mir, wen du von seiner Familie zur Hochzeit einladen möchtest.«
    »Ethans Nichte Delaney soll meine Brautjungfer sein.« Anna beugte sich vor, als Claire zu schreiben anfing. »Sie ist elf und einfach reizend.«
    Den Rest des Nachmittags brachten sie damit zu, in groben Zügen einen Plan für die Hochzeit zu erstellen, und machten nur beim Essen eine Pause. Nach Tisch unternahm Ethan mit André einen Rundgang auf Fox Run, und Claire und Anna gingen wieder an die Arbeit und die Blätter von Claires Notizblock füllten sich zusehends. Um zehn Uhr abends zog Ethan sich in seine alte Hütte auf der anderen
Seite des Camps zurück, André und Claire bezogen Annas Schlafzimmer, und Anna machte es sich auf der Couch gemütlich, über sich auf dem Lampenschirm die Meise Charlie. Sosehr ihre Brüder sie zuweilen ärgerten, konnte Anna es kaum erwarten, wieder im Schoß der Familie geborgen zu sein.

22
    Z weieinhalb Wochen später – genauer gesagt, nur drei Tage vor der Hochzeit – war Anna beeindruckt, wie gut alles lief, zumal mit ihren Brüdern und Ethan. Die Tatsache, dass Loon Cove Lumber ihretwegen in Brand gesetzt worden war, mochte mit ein Grund sein, dass ihre Familie sich so fabelhaft benahm, doch wiegte Anna sich lieber in dem Glauben, die Männer der Knights und der Segees hätten mehr gemeinsam als sie, Anna, da die sieben Brüder mit vereinten Kräften darangingen, die zwei Sägen von Loon Cove Lumber wieder instand zu setzen und in Betrieb zu nehmen.
    Grady und ihr Daddy hatten auf Anhieb Gefallen aneinander gefunden und verbrachten nun die Tage damit, in jedem Forellenwasser zwischen Oak Groove und der kanadischen Grenze ihr Anglerglück zu versuchen. Fische hatten sie keine gefangen – was nur bedeuten konnte, dass entweder die Forellen noch nicht anbissen oder die zwei alten Sägeexperten über ihren Erinnerungen an die alten Zeiten ihre Angelruten glatt vergessen hatten.
    Die Frauen der Knights und der Segees waren mit Schwung und Energie bei der Sache, so dass es mit den Hochzeitsvorbereitungen äußerst zügig voranging. Delaney war total aufgeregt, weil sie Annas Brautjungfer sein sollte, wenngleich
Anna vermutete, dass sich das junge Mädchen auf Nylons und Schuhe mit zwei Zoll hohen Absätzen ebenso freute wie auf die Aussicht, ihren Onkel Ethan heiraten zu sehen.
    Was ihre Mutter betraf, so hatte Anna sich nach so langer Zeit eigentlich auf das Wiedersehen gefreut und war am Tag von Madelines angekündigtem Eintreffen mit Ethan zu Penny Bryant gefahren. Dort hatte sie erfahren, dass Madeline und Ehemann Nummer acht plötzlich eine Kreuzfahrt nach Brasilien verlockender gefunden hatten als Maine während der Schlammsaison. Anna war enttäuscht, aber nicht überrascht gewesen, da Madeline seinerzeit nicht einmal zu Gramps Beerdigung gekommen war – und somit ihrer legendären Lebensgeschichte ein weiteres unrühmliches Kapitel hinzufügte.
    Tagsüber wimmelte es auf Fox Run vor Segees, nachts aber blieben zwei von Annas Brüdern mit ihren Familien in Penny Bryants Frühstückspension. Jean-Paul und seine Frau Micheline sowie ihre vier Kinder hatten alle übrigen Schlafräume im Obergeschoss besetzt.