Zur Sache, Schätzchen (German Edition)
wenn es dann etwas eng wurde. Der Truck war ausgestattet mit einem niedrigen fensterlosen Camperaufbau, in dem sie ihre Habseligkeiten sicher unterbringen konnten. Es gab eine aufblasbare Matratze und einen Doppelschlafsack, sodass sie sich sogar während der häufigen Nachtfahrten von einem Ort zum anderen abwechselnd ausruhen konnten, auch wenn es nicht besonders bequem war.
Roxanne staunte, wie ordentlich und sauber das Innere des Wagens war. Nicht schlecht für zwei raue Männer, die fernab der Heimat und auf sich selbst gestellt lebten. Hinter dem Fahrersitz befand sich eine große Kühlbox für Getränke und kleine Mahlzeiten und eine Plastiktüte für die Abfälle, die sich auf einer langen Fahrt ansammelten. Hinter der Sonnenblende waren einige Karten befestigt, auf dem Boden stand eine Box mit CDs, meist Countrymusic, unter dem Armaturenbrett war ein Radarwarnsystem befestigt, und obenauf lagen etwa ein Dutzend Taschenbücher und ebenso viele Zeitschriften.
Einer liest gern Revolverblätter, stellte Roxanne fest. Zusammen mit den Büchern trugen sie zu einer bunten Literaturmischung bei. Es gab die neueste Ausgabe der “Prorodeo Sports News”, drei oder vier Western, einige Krimis, Romane und …
“Harry Potter?”, sagte sie und nahm das Buch, das von den Abenteuern eines kleinen Zauberers handelte.
“Das gehört Tom”, erklärte Rooster schnell, damit bloß niemand auf die Idee kam, er könnte ein Kinderbuch lesen.
“Ich lese gern das, was auch meine Schüler lesen”, sagte Tom. “Und ich habe festgestellt, dass es ein wirklich gutes Buch ist. Kennst du es?”
“Schüler?”, fragte Roxanne überrascht.
“Tom ist Lehrer”, erklärte Rooster. “Wenn er nicht Rodeos reitet, verbringt er die Zeit damit, den kleinen Rowdys auf der Second Chance Ranch etwas beizubringen.”
Roxanne konnte es nicht fassen. Ihr gut aussehender, verwegener Cowboy war ein
Lehrer
?
“Überraschung”, sagte er sanft.
Die Fahrt von Albuquerque nach Phoenix dauerte etwa acht Stunden, wenn man sich an die Geschwindigkeitsbegrenzungen hielt. Wenn man Gas gab, ging es wesentlich schneller. Nach nur zwei Tagen in ihrer Gesellschaft hatte Roxanne gelernt, dass Cowboys immer Gas gaben. Selbst Cowboys, die unterrichteten. Es lag einfach in ihrer Natur.
Ein Cowboy musste viele Rodeos reiten, wenn er davon leben wollte. Und viele Rodeos bedeuteten viel Fahrerei.
“Angenommen, du gewinnst bei einem der ganz großen Ereignisse und kassierst tausendfünfhundert oder vielleicht sogar zweitausend Dollar”, sagte Tom. Die Unterhaltung diente während einer langen Nachtfahrt dem Wachbleiben. “Das ist viel Geld, denn normalerweise bekommt man maximal ein paar hundert Dollar. Aber nimm einmal an, du gewinnst diese zweitausend Dollar. Davon musst du das Startgeld bezahlen, und das kann bei Topevents vier- oder fünfhundert Dollar betragen. Du musst für deine Reisekosten aufkommen. Und wenn man Frau und Kinder zu Hause hat, dann entstehen auch dort Kosten. Ein Cowboy kann ein erstklassiger Rodeoreiter sein und trotzdem weniger als hunderttausend brutto verdienen. Normalerweise viel weniger.”
Sie wollte fragen, was er für den dritten Platz heute Nachmittag “kassiert” hatte, unterließ es jedoch. Es ging sie nichts an, was er verdiente oder nicht verdiente. “Warum reitet ihr dann überhaupt?”
“Warum hat Joe Namath mit Schienen an beiden Knien Football gespielt? Oder Steve Young, der auch nach der sechsten Gehirnerschütterung weitergespielt hat? Ganz sicher brauchte keiner von beiden das Geld.”
“Du meinst also, es ist die Liebe zu dem Spiel? Willst du behaupten, dass es dir
gefällt
, in regelmäßigen Abständen abgeworfen zu werden?”
“He, jetzt werde nicht beleidigend”, tadelte er. “Ich werde nicht regelmäßig abgeworfen. Nur ab und zu, um das zahlende Publikum bei Laune zu halten.”
“Aber du riskierst deine Gesundheit und dein Leben für einen lächerlichen Lohn. Das ist doch verrückt!”
“Nein, Darling”, korrigierte er sie. “Das ist Rodeo.”
“Hier, Roxy, trink einen Schluck von meiner Cola”, sagte Rooster und reichte ihr eine Dose, als sie innehielt und sich räusperte. “Öl deine Kehle. Wir wollen doch nicht, dass du austrocknest, oder?”
Roxanne nahm die Dose und trank einen Schluck. Zu süß für ihren Geschmack und fürchterlich warm, weil Rooster die Dose die ganze Zeit in den Händen gehalten hatte. Aber sie hatte die letzten zwei Stunden laut gelesen und brauchte
Weitere Kostenlose Bücher