Zur Sache, Schätzchen (German Edition)
wirklich etwas, wie er sagte, um ihre Kehle zu ölen. Lächelnd gab sie ihm die Dose zurück und schwor sich insgeheim, bei der nächsten Tankstelle dafür zu sorgen, dass die Kühlbox mit Diätcola und Mineralwasser aufgefüllt wurde.
“Für ein Kinderbuch ist Harry Potter gar nicht schlecht”, sagte Rooster und schlug Tom freundschaftlich auf den Hinterkopf. “Du hättest mir sagen sollen, wie gut es ist. Dann hätte ich es vielleicht selbst gelesen.”
“Ich habe es dir gesagt”, erwiderte Tom freundlich. Er unterließ es hinzuzufügen, dass es nichts gebracht hatte, weil Rooster noch nie in seinem Leben freiwillig ein Buch gelesen hatte.
Er beschränkte sich auf Zeitschriften, so wie “People”, die neueste Ausgabe von “Prorodeo Sports News” und einmal im Jahr “Sports Illustrated”. Wie die meisten Cowboys jedoch liebte er abenteuerliche Geschichten und war ein großer Fan von Büchern auf Kassette, die an einem Truckstopp geliehen und am nächsten wieder abgegeben werden konnten. Er hatte schnell festgestellt, dass die langen Stunden auf der Straße besser zu ertragen waren, wenn ihm jemand etwas vorlas.
“Es ist eine gute Geschichte, nicht wahr?”, sagte Roxanne und lächelte Rooster über die Schulter hinweg an.
Tom warf ihr einen nachdenklichen Blick von der Seite zu. Ihn erstaunten ihre Geduld und ihre gute Laune, ganz zu schweigen von ihrem Talent, laut vorzulesen. Nicht jeder konnte es. Entweder er las zu schnell oder zu langsam, oder die Vortragsweise war zu monoton, was auch das spannendste Buch zu einem Langweiler werden ließ. Roxy dagegen las mit Betonung und erweckte die Charaktere zum Leben, was darauf schließen ließ, dass sie Übung hatte – und Tom rätseln ließ, woher.
“Brauchst du noch einen Schluck, Roxy?”, fragte Rooster. “Möchtest du, dass ich eine kalte Dose öffne, damit du das Kapitel zu Ende lesen kannst?”
“Nein, danke”, sagte sie. Der kleine Wink war ihr nicht entgangen, und so las sie weiter die magischen Abenteuer des Harry Potter und seiner Freunde vor.
“Irgendwo im Land findet an fast jedem Tag im Jahr ein Rodeo statt”, erzählte Tom, als sie über den Highway von Phoenix nach Window Rock fuhren, das mitten im Herzen des Navajo Reservats in Arizona lag. “Die meisten natürlich während der Sommermonate”, fuhr er mit leiser Stimme fort, um Rooster nicht zu wecken, der auf dem Rücksitz schlief, da ihm übel wurde, wenn er während der Fahrt in dem Camperaufbau lag. “An Wochenende ist es nicht unüblich, wenn ein Cowboy an drei oder vier verschiedenen Veranstaltungen in verschiedenen Städten teilnimmt. Die Woche um den Vierten Juli herum ist besonders verrückt, weil dann all diese Feiern stattfinden. Viele Städte veranstalten auch ein Rodeo.”
Roxanne versuchte, ein Gähnen zu unterdrücken. “Warum?”
Tom warf ihr einen Blick von der Seite zu. “Warum was?”
“Warum nimmst du an mehr als einem Rodeo am Tag teil?”
“Um Punkte zu sammeln”, antwortete Rooster vom Rücksitz aus und zeigte damit, dass er nicht schlief.
Roxanne erstarrte und sah sich schuldbewusst um. Hoffentlich hatte er vor eine halben Stunde fest geschlafen, als sie Tom mit kleinen Sexspielchen von der Eintönigkeit der Straße abgelenkt hatte.
“Punkte und Geld”, sagte Rooster. “Jeder Dollar, den man durch Siege verdient, zählt als ein Punkt bei der Wertung. Und nur die fünfzehn besten Cowboys – die fünfzehn, die das meiste Geld gewonnen haben – kommen zum Finale nach Las Vegas. Je mehr Rodeos man reitet, je mehr Geld man verdient, desto mehr Punkte gewinnt man. Verstehst du?”
“So sieht es in der Theorie aus”, sagte Tom.
“Wie viele Rodeos muss ein Cowboy also reiten, damit er die Punkte bekommt, die er für das Finale braucht?”, fragte Roxanne.
“Das kommt darauf an. Wenn man auf vielen kleinen Rodeos reitet, sammelt man nicht so viele Punkte wie bei den wirklich großen Ereignissen.”
“Groß ist ein relativer Begriff”, stellte Tom trocken fest.
Rooster beachtete ihn nicht. “Städte wie Dallas und Fort Worth. Denver. Phoenix. Dort ist viel Geld zu machen. Und bei großen Veranstaltungen. Dem Buffalo Bill Rodeo zum Beispiel in North Platte. Pike’s Peak oder Bust in Colorado Springs. Frontier Days in Cheyenne. Und Mesquite, natürlich. Mesquite ist sehr beliebt. Fast jedes Wochenende findet dort ein Rodeo statt. Da gibt’s das große Geld.”
“Groß ist ein relativer Begriff”, wiederholte Roxanne Toms Worte
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