Zur Sache, Schätzchen (German Edition)
die Nationalhymne, und die große amerikanische Flaggenparade setzte sich in Bewegung. Die Staatsflagge jedes teilnehmenden Rodeoreiters wurde entrollt und von Reitern auf gestriegelten Pferden in die Arena getragen. Die Rodeoqueen und ihr Hofstaat ritten vorbei und winkten der begeisterten Menge zu
Gegenüber der Arena, in der Suite des Grand Bellagio Hotels beobachtete Roxanne das erste Event im Fernsehen, während sie sich kämmte und schminkte. Ohne großen Erfolg versuchte sie, nicht den beiden Müttern, ihrer und Toms, zuzuhören, die sich darüber ausließen, wie geschmacklos eine Hochzeit in Las Vegas war. Erstaunlicherweise waren sich die beiden Frauen völlig einig.
“Wir hätten eine wunderschöne Hochzeit in der Eingangshalle der Second Chance Ranch feiern können”, sagte Molly Steele. “Aber Tom wollte es nicht einmal in Betracht ziehen. Er will unbedingt hier heiraten, in Las Vegas …” Sie sprach den Namen aus, als sei er gleichbedeutend mit Sodom. “… während des Rodeofinales.”
“Ich habe immer gehofft, Roxanne würde im Garten unseres Landhauses heiraten. Im Juni, natürlich, wenn die Rosen voll erblüht sind und alles wunderschön aussieht.” Charlotte Archer schüttelte den Kopf über den absolut unverständlichen Wunsch ihrer Tochter, in Las Vegas zu heiraten. “Sie war immer ein so bescheidenes nettes Mädchen. Hat ihrem Vater und mir nie irgendwelche Sorgen bereitet. Und dann wurde sie dreißig, und ich weiß nicht, was passiert ist. Ich glaube, es liegt an diesen schrecklichen Stiefeln.”
Beide Frauen warfen einen Blick auf das anstößige Schuhwerk. Die roten frisch polierten Stiefel standen am Fußende des Bettes. Ein Affront gegen jeden guten Geschmack.
“Sie hat sich solch ein Paar gewünscht, als sie neun Jahre alt war”, vertraute Charlotte Molly an. “Aber ich habe mich geweigert, ihr welche zu kaufen. Ich hatte damals schon ein schlechtes Gefühl. Ich meine … ich dachte, wer weiß, was für einen Schaden solche Stiefel anrichten. Jetzt haben wir das Ergebnis”, sagte sie und deutete auf ihre Tochter. “Unanständig.”
Roxanne grinste ihre Mutter an. “Meinst du nicht
bräutlich
, Mom?” Sie verharrte in einer schicklichen Pose, die Füße fest zusammen, die Augen gesenkt, die Hände vor der Taille, als hielte sie einen Blumenstrauß.
Sie war ganz in Weiß gekleidet, wie es sich für eine Braut gehörte. Ein weißes Satinkorsett mit aufgestickten blassrosa Rosenknospen schnürte ihre ohnehin schmale Taille noch weiter ein und schob ihre Brüste prall nach oben. Dazu einen winzigen weißen Slip, ein weißes Spitzenstrumpfband und weiße Seidenstrümpfe. Angesichts ihrer Aufmachung stellte die Pose eine ziemliche Provokation dar. Genau so wollte sie später vor Tom stehen, bevor er die Haken ihres Korsetts öffnen durfte.
Ein Klopfen an der Verbindungstür zum Nachbarzimmer ließ die drei Frauen zusammenzucken.
“Ich bin es, Tom. Seid ihr fertig?”
Roxanne wollte gerade zur Tür gehen, als ihre Mutter sie am Arm festhielt. “Es bringt Unglück, wenn der Bräutigam die Braut vor der Zeremonie sieht”, warnte sie.
“Besonders, wenn sie noch nicht angezogen ist”, fügte Molly missbilligend hinzu und ging an die Tür. Sie öffnete sie einen Spalt breit, sodass er keinen Blick auf seine Braut ergattern konnte. “Was willst du?”, fragte sie ihren Sohn.
“Das Bull Riding fängt in weniger als einer Stunde an. Wir müssen uns ein wenig beeilen, wenn wir vorher fertig sein wollen. Hier ist alles vorbereitet. Uns fehlt nur noch die Braut.”
“Roxanne zieht sich gerade das Kleid an. In einer Minute ist sie so weit”, sagte Molly und wollte die Tür wieder schließen.
Tom hielt sie davon ab. “Einen Moment, Mom”, sagte er und wirkte plötzlich so nervös wie ein Schuljunge. “Gibst du ihr dies von mir, bitte?” Er schob ein schmales Kästchen vom Juwelier durch den Türspalt. “Und sag ihr, dass ich sie von Herzen liebe.”
“Sie hat dich gehört”, erwiderte Molly trocken. Doch sie lächelte, als sie ihrer zukünftigen Schwiegertochter die Schachtel brachte.
Roxanne nahm sie mit zittrigen Fingern. Er hatte ihr bereits einen Verlobungsring geschenkt. Einen Ring mit roten Rubinen, der am Ringfinger ihrer linken Hand funkelte. Die glutroten Steine passten genau zu der Farbe ihrer Fingernägel. Sie hatte nicht erwartet, noch etwas von ihm geschenkt zu bekommen. In der Box lag auf weichem Samt eine feingliedrige Kette, an der eine winzige
Weitere Kostenlose Bücher