Zurueck Aus Afrika
überrascht noch verärgert und so unterhalten wir uns eine Weile am Telefon, bevor wir uns in einem Restaurant verabreden. Er hat sich kaum verändert. Wir erzählen uns knapp das Wichtigste aus den vergangenen Jahren und so erfahre ich, dass auch er eine gescheiterte Beziehung hinter sich hat und nun die Nase voll hat von Zweisamkeiten, was er offensichtlich ohne Groll mit einem strahlenden Lächeln kundtut. Bald haben wir uns nichts mehr zu erzählen und verabschieden uns, weil es obendrein für Napirai recht langweilig ist.
Auf der Fahrt nach Hause male ich mir in Gedanken die Ferien in Südfrankreich aus und freue mich darauf, zumal in St. Raphael eine Großtante mütterlicherseits lebt, die aus Indochina, dem heutigen Vietnam, kommt und die ich bei dieser Gelegenheit endlich kennen lernen könnte.
Drei Wochen später begeben wir uns mit dem Auto auf die lange Reise. Während der Fahrt singen wir, ich erzähle Geschichten oder wir hören uns Märchen-Kassetten an. Einige hundert Kilometer läuft alles bestens, doch allmählich wird Napirai quengelig, denn sie will nicht mehr im Auto sitzen. Alle Ablenkungsversuche helfen nichts und ich muss von der Autobahn abfahren und uns ein Hotel suchen. Mitten im Juli in Italien, und noch dazu in Meeresnähe, erweist sich dies als ein fast aussichtsloses Unterfangen. Alles ist belegt und darüber hinaus werden wir misstrauisch gemustert. Als ich mich schon auf eine Übernachtung im Auto vorbereiten will, haben wir beim letzten Versuch endlich Glück. Es ist eine alte Pension an einer Durchgangsstraße. Bevor wir das einfache und laute Zimmer beziehen, möchte ich mir mit Napirai noch ein wenig die Beine vertreten. Wir schlendern durch den kleinen malerischen Ort, in dem die Alten vor ihren Häusern auf der Straße sitzen. Immer wieder höre ich: »Che bella bambina, che bella!« Einige sind so entzückt von meiner Tochter, dass sie sie streicheln und berühren wollen. Napirai gefällt das überhaupt nicht und sie quittiert die Zuwendungen mit einem düsteren Blick. Wir ziehen uns in die Pension zurück und essen unsere letzten Brote, bevor wir erschöpft einschlafen.
Am nächsten Tag legen wir die letzten hundert Kilometer bis St. Raphael zurück und finden dank meiner im Außendienst erworbenen Orientierungsfähigkeiten die Villa auf Anhieb. Mimi empfängt uns freudig. Das Haus ist riesig und hat einen wunderschönen Pool. Am Abend stellt sie mir ihren Lebenspartner vor. Ich bin angenehm überrascht und erfreut. Er ist ein aufgeschlossener, jugendlicher und fröhlicher Mann, der Mimi jeden Wunsch von den Augen abzulesen scheint. Wir verbringen einen gemütlichen Abend. Bereits am zweiten Tag aber passiert fast eine Tragödie. Während ich für den Broteinkauf unterwegs bin, spielt sich zu Hause eine erschreckende Szene ab. Napirai schleicht, ohne einen Ton zu sagen, die Treppe zum Pool hinunter, und als Mimi rein zufällig auf die Terrasse kommt, sieht sie nur noch Napirais Haarbüschel aus dem Wasser herausschauen. Sie rennt zum Pool und zieht das Kind im letzten Moment heraus. Als ich nach 20 Minuten zurückkomme, schreit sie immer noch wie am Spieß. Panisch renne ich die Treppen hoch und sehe ihren roten Kopf. Während Mimi aufgeregt erzählt, was passiert ist, bekomme ich weiche Knie. Tränen laufen mir über das Gesicht, als mir bewusst wird, wie knapp mein Mädchen mit dem Leben davon gekommen ist. Stundenlang halte ich sie und lasse sie in den nächsten Tagen keine Minute mehr aus den Augen. Ich gehe mit ihr ans Meer und sie genießt das Buddeln im Sand. Bei einem Spaziergang durch das Dorf erlebt Napirai zum ersten Mal eine Kirmes mit Karussells, die es ihr schnell angetan haben. Ansonsten verläuft der Rest des Urlaubs ruhig, wenngleich für mich fast etwas zu langweilig. Ich bin es nicht mehr gewohnt, untätig zu sein und so viel Zeit zu haben.
Oft muss ich an Kenia und an meine dortige Familie denken und würde gerne wissen, was aus Lketinga geworden ist und was er nach diesen fast zwei Jahren, seitdem ich fortgegangen bin, über uns denkt. Ich weiß, er lebt noch, aber nicht, wie und wo. James hat mir in seinem letzten Brief mitgeteilt, dass ein anderer Samburu-Krieger von der Küste nach Hause gekommen ist und erzählt hat, Lketinga lebe mal da, mal dort. Er habe sein Auto noch, habe jedoch einen schlimmen Unfall gehabt. Zum Glück sei er mit ein paar Schnittwunden im Gesicht davongekommen. Mich machte dieser Brief traurig, aber ich konnte nichts tun. Ja,
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