Zurueck Aus Afrika
Zuhörern.
Die Lesung verläuft großartig. Schon nach den ersten drei, vier Minuten bin ich voll im Element und nehme nicht einmal mehr meine Familie in der ersten Reihe war. Ich kann die Lesung nach meiner eigenen Vorstellung gestalten und so lese ich ausgewählte Abschnitte und ergänze mit Erzählungen. Es ist ein wunderbares Erlebnis in einer grandiosen Atmosphäre, die die Menschen erfasst und auch auf mich ansteckend wirkt. Nach der Lesung muss ich die vielen Fragen der Zuhörer beantworten. Einige wollen wissen, wie es meiner Tochter und mir heute geht. Was macht Lketinga? Ist er wieder bei seinem Stamm? Bereuen Sie, dass Sie diesen Schritt gemacht haben? Fragen über Fragen, und nach einer weiteren Stunde signiere ich Bücher. Da mein Verleger für dieses Ereignis extra aus München angereist ist, haben einige Besucher Glück und können sich ein frisch gedrucktes Buch ergattern. Immer wieder werde ich nach meiner nächsten Lesung gefragt, wann und wo diese stattfinden wird. Viele der Anwesenden haben Freunde und Bekannte, die auch zu einer Lesung kommen möchten. Der Erfolg scheint uns förmlich zu überrollen.
Die folgenden Tage vergehen im Eiltempo. Obwohl ich permanent am Arbeiten oder Organisieren bin, fühle ich mich nahezu nie müde, weil alles neu und interessant ist. Bald werde ich in meiner Wohngemeinde um eine Lesung gebeten. Sie findet im Nebensaal eines Restaurants statt. Als ich zum Lokal komme, traue ich beim Anblick der vielen geparkten Autos kaum meinen Augen. Im Eingang drängen sich die Menschen in einer langen Schlange bis auf die Straße hinaus. Es ist unglaublich, alle wollen an meiner Geschichte Anteil nehmen! Nachdem bereits 150 Leute im Raum sind, muss er gesperrt werden, was viele Angereiste verärgert. Ich gehe hinaus und verspreche den Wartenden, in etwa zwei Wochen eine weitere Lesung am gleichen Ort durchzuführen. Mehr kann ich leider nicht tun. Heute bin ich nervöser als bei der Buchpräsentation, da es sozusagen ein »Heimspiel« ist. Doch schnell wird mir klar, dass die meisten Zuhörer von auswärts angereist sein müssen, denn ich entdecke nicht viele bekannte Gesichter.
Der Ablauf des Abends gestaltet sich ähnlich wie in Winterthur. Nach der Lesung beantworte ich Fragen. Plötzlich werde ich von einem älteren Mann mit dunkelgrünem Pullover und Hosenträgern gefragt, wie es denn in sexueller Hinsicht bei uns abgelaufen sei. Er spricht in anzüglichem Tonfall, obwohl seine Frau neben ihm sitzt, so dass ich erst kurz überlegen muss, bevor ich ihm antworte: »Schauen Sie, ich möchte hier keinen genauen Liebesakt erläutern, doch Sie können alles im Buch nachlesen.« Darauf erwidert der dreiste Mensch: »Ich bin hier bei einer Lesung und nicht bei einer Verkaufsveranstaltung, oder?« Im Publikum wird es unruhig und eine auffallend hübsche blonde Frau springt auf und kanzelt den Mann ab: »Und Sie mit ihrem geilen Getue gehören nicht in diese Veranstaltung!« Sie erhält Applaus und ich lächle die energische Frau an.
Später werde ich aus einer anderen Ecke angegriffen, indem jemand fragt: »Empfinden Sie kein Schamgefühl gegenüber Ihrer Tochter, in Ihrem Buch, unter Angabe ihres richtigen Namens, so offen über alles zu berichten?« Noch bevor ich antworten kann, höre ich die energische Blondine sagen: »Diese Frau muss sich ganz bestimmt nicht für ihr Buch schämen und ihre Tochter wird einmal stolz auf ihre Mutter sein. Ich habe das Buch schon drei Mal gelesen und würde Ihnen das auch empfehlen!« Es rührt mich, wie ich von dieser mir unbekannten Zuhörerin verteidigt werde. Als ich kurz darauf die Bücher signiere, steht sie vor mir und überreicht mir ein wunderschönes Blumengesteck. Jetzt bin ich mehr als überrascht, bedanke mich und frage sie, ob sie Zeit hat, einen kleinen Schlummertrunk bei mir zu Hause einzunehmen, da dort für einen kleinen Kreis etwas vorbereitet ist. Erfreut nimmt sie die Einladung an.
Nachdem sich der Saal geleert hat, gehen wir mit einigen Freundinnen zu mir nach Hause. Andrea hat mit ihrer Mutter appetitliche Häppchen hergerichtet und es entsteht eine kleine gesellige Runde, in der ich mich mit Irene, der Frau aus dem Publikum, etwas eingehender unterhalten kann. Nach Mitternacht sind auch die Letzten gegangen und ich kann endlich müde, aber sehr zufrieden ins Bett gehen. Am nächsten Tag stehen wieder Zahnarztbesuche auf dem Programm. In den Praxen werde ich nun oft erkannt, da die eine oder andere Assistentin schon
Weitere Kostenlose Bücher