Zurueck Aus Afrika
mir damals in Kenia jemand vorausgesagt hätte, dass ich eines Tages mit dem, was ich dort erlebt habe, Abend für Abend in Europa Hunderte von Menschen beeindrucken würde, hätte ich ihn mit verständnislosen Augen angeschaut und lachend für verrückt erklärt. In diesen Momenten, wenn ich spät abends in einem fast leeren Restaurant in einer mir fremden Stadt meinen Gedanken nachhänge, empfinde ich oft tiefe Dankbarkeit Lketinga, seiner Familie und den Samburu gegenüber.
An den Lesungen nehmen überwiegend Frauen jeden Alters oder Paare teil. Mir fällt auf, dass das Publikum je nach Region sehr unterschiedlich ist. Einmal ist von Anfang an eine erwartungsvolle Spannung da, ein anderes Mal müssen die Zuhörer erst »auftauen«. Wenn es recht unruhig ist, weiß ich, dass im Publikum Leute sitzen, die mich später in der Diskussion verbal angreifen werden. Mir ist durchaus klar, dass das Buch nicht jedem gefallen kann, und eine Doktorarbeit in Germanistik habe ich auch nicht abgelegt. Ich schrieb mir meine Erlebnisse zwischen Vollzeitarbeit und der Erziehung meiner Tochter nachts vom Herzen und freue mich nun, dass so viele Menschen dabei etwas Positives für sich gewinnen können. Beim Signieren kommen Frauen an meinen Tisch, strahlen mich mit leuchtenden Augen an, drücken mir die Hand und sagen: »Frau Hofmann, vielen Dank für diesen wunderschönen Abend! Es war für mich der aufregendste Moment in meinem Leben.« Bei solchen Aussagen verschlägt es mir die Sprache, denn dieses Kompliment scheint mir in keinem Verhältnis zu meiner Lesung zu stehen. Außerdem macht es mich nachdenklich und fast traurig, dass ein solcher Moment in einem vielleicht 60-jährigen Leben das Schönste gewesen sein soll. Aber solche oder ähnliche Aussagen höre ich noch einige Male.
Einmal sitze ich bei einer Signierstunde in einem Kaufhaus, als eine Dame mittleren Alters freudig auf mich zukommt und mich bittet, sie anzuschauen, während sie vor meinem Tisch hin und her läuft. Ich staune und weiß nicht recht, was das soll. Sie sagt immer wieder: »Sehen Sie, Frau Hofmann, sehen Sie, das habe ich Ihnen zu verdanken!« Ich verstehe nicht, was sie meint, und zweifle schon ein wenig an ihrem Verstand. Dann kommt sie wieder zu mir, hält meine Hände ganz fest, schaut mich an und sagt: »Bis vor kurzem saß ich im Rollstuhl und konnte eigentlich nicht mehr laufen. Dann habe ich Ihr Buch gelesen. Ihr starker Wille hat mich sehr beeindruckt und ich habe mir gesagt, wenn diese Frau an einer Malaria fast gestorben ist und sich aufraffen konnte, wieder zu gehen, dann kann ich das auch! Und sehen Sie, nach Jahren laufe ich wieder!« Dabei geht sie wieder hin und her. Dieser Moment ergreift mich so sehr, dass mir Tränen in die Augen schießen und ich nur noch sagen kann: »Allein für Sie hat sich das Schreiben des Buches gelohnt!« Sie legt mir einen wunderschönen Blumenstrauß auf den Tisch und verabschiedet sich mit einem langen Blick von mir. Danach bin ich völlig durcheinander und kann mich kaum noch auf die anderen Leute konzentrieren. Zum ersten Mal bin ich froh, dass ich mich zurückziehen kann. Dieses Erlebnis rufe ich mir immer vor Augen, wenn ich bösartige Kritik einstecken muss.
Wenn ich dann freitags nach Hause komme, freue ich mich irrsinnig auf meine mittlerweile zehnjährige Tochter. Nach der langen Trennung fliegt sie mir förmlich in die Arme und freut sich, wieder einmal bei mir im Bett zu schlafen. Am Wochenende lese ich die Briefe, die ich von meinen Leserinnen und Lesern erhalte, und versuche, so viele wie möglich zu beantworten. Von Woche zu Woche werden es mehr. Es überrascht mich, wie viel mir die Menschen anvertrauen oder was ich bei ihnen ausgelöst habe.
Viele bedanken sich persönlich bei mir und schreiben, dass sie die Schilderung meiner vier Jahre mit Lketinga als sehr ehrlich und berührend empfunden haben. Manche berichten auch von ihren eigenen guten wie schlechten Erlebnissen. Einige Frauen und auch Männer, die selbst eine Liebesbeziehung mit einem Partner aus einer anderen Kultur erleben, fragen mich um Rat, wie sie sich verhalten sollen. Ihnen kann ich nur antworten: »Wenn Sie sich Ihrer Sache tief in Ihrem Inneren nicht ganz sicher sind und eines Rats bedürfen, läuft schon etwas falsch. Mich hätte damals kein noch so gut gemeinter Ratschlag davon abgehalten, der Stimme meines Gefühls zu folgen.«
Natürlich bekomme ich auch kritische oder sogar feindselige Briefe. Doch der meist
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