Zurueck Aus Afrika
im höchsten Maße unwirklich und mir ist, als sprächen alle von einer anderen Person.
Im Dezember habe ich eine kleine Lesung in München auf dem Tollwood-Festival, einem riesigen alternativen Weihnachtsmarkt. Als ich das kleine Lesezelt betrete, kommt mir eine mit Cowboyhut, Stiefeln und dicker Winterjacke gewandete Frau mit ausgebreiteten Armen entgegen. Irgendwie kommen mir das breite Grinsen und die langen blonden Haare unter dem Hut bekannt vor. Als sie nun so vor mir steht, glaube ich zu träumen. Es ist Rambo-Jutta! Die Frau, mit der ich auf der Suche nach Lketinga quer durch Kenia gereist bin. Wir fallen uns in die Arme und ich kann es kaum fassen, dass ich die leibhaftige Jutta vor mir sehe. Durch Zufall habe sie von meiner Lesung gehört und sei spontan hierher gekommen. »Ja, bist du denn nicht mehr in Kenia?«, möchte ich wissen. Sie erzählt, dass ihre Mutter gestorben ist und sie deshalb für ein paar Tage nach Deutschland kommen musste, um alles zu regeln. »Weißt du, ich kann hier nicht mehr leben. Ich fliege schon bald nach Kenia zurück, weil ich dort ein neues Krankenhausprojekt betreue und nicht allzu lange wegbleiben möchte.« Wir tauschen unsere Adressen aus und ich verspreche, die Unterlagen für ihr Projekt zu prüfen, um eventuell etwas zu spenden. Sie bleibt noch bis zum Ende der Lesung und ist ganz begeistert von dem Buch. »Dass du alles noch so genau wusstest, ist unglaublich, aber genau so war es«, ist ihr abschließender Kommentar. Beim Abschied geben wir uns das Versprechen, miteinander in Kontakt zu bleiben. Zu diesem Zeitpunkt weiß ich noch nicht, dass sie meinem Verleger und mir bald eine große Hilfe sein wird.
Bei unserer diesjährigen Familien-Weihnachtsfeier ist das zentrale Thema natürlich mein Buch. Wir alle sind neugierig, wohin mich dieses Abenteuer noch führen wird. Im Verlag werden schon die ersten Verhandlungen für Übersetzungen ins Französische und Italienische geführt. Die paar Tage in der Weihnachtszeit genieße ich jedoch ausschließlich mit meiner Tochter.
Anfang 1999 wird es noch hektischer. Das Buch steht nun auch in Deutschland ganz oben auf der Bestsellerliste und im Verlag laufen die Drähte heiß. Da viele Buchhandlungen eine Lesung mit mir veranstalten wollen, schlagen die Verlagsmitarbeiter eine Lesetour durch Deutschland vor. Jetzt stehe ich vor einer schweren Entscheidung. Einerseits gefällt mir mein Job sehr gut und bietet eine sichere Existenz. Andererseits betrachte ich es als wunderbare Chance, mein eigenes Produkt zu »vertreiben«. Wer hat schon das Glück, selbstständig und in eigener Sache unterwegs sein zu können und zudem mit offenen Armen von Zuhörern und Zuhörerinnen empfangen zu werden? Ich muss es einfach wagen! Ich überlege nicht mehr lange, bevor ich mit meinem Chef spreche und um meine Freistellung bitte. Die dreimonatige Kündigungszeit kann ich unter diesen Umständen leider auch nicht einhalten. Doch ich biete an, für »meine« Zahnärzte eine Lesung mit afrikanischem Essen und afrikanischer Musik zu organisieren. Es ist mir ein Anliegen, den mir wohlgesinnten Praxen mit einem einmaligen Abschiedsabend für ihre Treue zu danken. Nach der wunderschönen Veranstaltung fällt mir das Aufhören dann doch etwas schwer. Anfang Februar löse ich mein Arbeitsverhältnis auf und bin nun nur noch Autorin.
Unser Leben ist ziemlich unruhig geworden und alles muss gut organisiert werden. Napirai kann Gott sei Dank entweder bei meiner Mutter oder bei der Pflegefamilie auch mehrere Tage übernachten, was sie zumindest in den ersten paar Monaten durchaus genießt. In Wochenblöcken bin ich auf Lesereisen durch Deutschland unterwegs. Die Hauptstrecke lege ich im Flugzeug zurück, nehme dann ein Taxi zum reservierten Hotel und habe bereits nach der Ankunft die ersten örtlichen Pressetermine. Die Lesungen beginnen abends zwischen sieben und acht Uhr. Zuvor esse ich nur eine Kleinigkeit, da ich mich ansonsten bei der Lesung unwohl oder müde fühle. Danach laufe oder fahre ich zum jeweiligen Veranstaltungsort, vor dem meist schon viele Menschen warten, um an meiner Geschichte Anteil zu nehmen. Nach den zwei- bis dreistündigen Veranstaltungen bin ich zu aufgekratzt, um schlafen zu gehen. So mache ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Restaurant, um noch etwas zu essen und den Abend ausklingen zu lassen. Bei diesen Gelegenheiten finde ich hin und wieder die Muße, über die seltsamen Fügungen des Lebens nachzudenken. Wenn
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