Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)
auf die Beine. »Der Typ ist gefährlich, was denkst du dir eigentlich?« Er rüttelte sie, dann ließ er sie so abrupt los, als hätte er sich an ihr verbrannt. Emily taumelte eine Sekunde, bevor sie ihr Gleichgewicht wiederfand. Matt funkelte sie an.
»Du bringst nicht nur dich in Gefahr«, hörte sie ihn fluchen.
Aber da klang seine Stimme schon ganz dumpf.
Sie starrte Matt an.
Ihr Körper vibrierte.
Sie machte einen Schritt auf ihn zu.
Dann war alles still.
Nichts ist so wandelbar wie die Vergangenheit.
M ARKUS M. R ONNER
9
E mily öffnete die Augen, aber alles blieb dunkel. Die Kälte kroch von unten in ihren Körper, sie musste wieder auf dem Boden liegen. Nur diesmal war zumindest ihr Kopf auf einem Kissen gebettet.
Sie drehte ihr Gesicht von einer Seite auf die andere und blinzelte. Nur langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Finsternis, und Umrisse lösten sich aus den Schatten. Ein Baum. Ein riesiger Felsbrocken.
Jemand flüsterte ihren Namen.
»Emily! Hörst du mich? Hey!«
Sie schloss die Augen wieder. »Ja«, hauchte sie. Die Stimme klang schön. Nur nicht aufwachen.
»Emily!« Lauter jetzt.
Das Kopfkissen unter ihr bewegte sich, und Emily schoss in die Höhe. Sie drehte sich um und sah, wie Matt seine Beine zu sich heranzog. Er lehnte mit dem Rücken an einem Baum, und sie musste in seinem Schoß gelegen haben.
Emily hoffte inständig, dass er in der Dunkelheit nicht sehen konnte, wie sie rot wurde.
War nicht eben noch Tag gewesen?
»Was ist passiert?«, fragte sie und legte die Hände an ihre Wangen, um sie zu kühlen. Sie war durch den Matsch gerobbt, doch ihre Handflächen waren sauber. Auch ihre Kleidung fühlte sich trocken an.
Emily sah an sich hinunter. Dann blickte sie sich suchend um nach Josh und nach Quayle, doch sie konnte nichts und niemanden entdecken außer Weide, Bäume und in der Ferne ein Haus.
Was …?
Emily kniff die Augen zusammen, um ihren Blick zu schärfen. Das war kein Haus, beziehungsweise – ja, es war ein Haus, aber eben war es noch eine Ruine gewesen! Das Fenster, durch das Matt gesprungen war, um ihr und Josh zu helfen, war mit Brettern vernagelt, und das Loch in der Mauer, durch das sie das Haus verlassen hatten, war verschlossen durch eine Tür, die schief in ihren Angeln hing.
Es war Nacht.
Ein halber Mond hüllte die Szene in kaltes Licht.
Und dann fiel Emily wieder ein, was eben geschehen war.
Sie sprang auf ihre Füße, und Matt, aufgeschreckt durch ihre hastige Bewegung, beeilte sich, ebenfalls aufzustehen.
»Was ist hier los?«, fragte Emily, und es war ihr gleichgültig, dass sie ängstlich klang. Sie hatte Angst.
Was passierte hier?
»Wo ist Josh? Wo ist … dieser Typ?«
Matt stand vor ihr, die Hände in den Taschen seiner Jeans vergraben, und starrte an ihr vorbei. Er öffnete den Mund, aber Emily war schneller.
»Du … du bist …« – Sie dachte daran, wie er vor ihr durchsichtig und immer durchsichtiger geworden war, bis er sich quasi in Luft aufgelöst hatte, und mit ihm die Wiese, die Bäume, der Himmel und letztlich sie selbst.
»Matt, was ist hier passiert?« Emilys Stimme klang schrill, und kurz huschte sein Blick zu ihr. Sie hatte ihn noch nie so unsicher gesehen. Dann fuhr er sich mit beiden Händen durch die Haare und verschränkte die Finger in seinem Nacken. »Hoffentlich nicht das, was ich denke«, murmelte er, drehte sich um und stapfte davon.
Emily blinzelte. Sie dachte einige Sekunden darüber nach, ob er sie wirklich mitten in der Nacht mitten im Nirgendwo alleinelassen würde, als Matt stehenblieb. Er ließ seine Hände sinken und wandte sich ihr wieder zu.
»Kannst du laufen?«, fragte er.
Sie sah auf ihre nackten Füße hinunter. In der Aufregung schien sie die beißende Kälte, die von der nachtkalten Erde ausging, vergessen zu haben. Nun begannen ihre Zähne wieder zu klappern.
»Ist es … weit … bis ins … Dorf?«, stammelte sie.
Matt stand einige Schritte von ihr entfernt, aber Emily hörte sein Seufzen trotzdem. Während er wieder auf sie zuging, zog er seine Jacke aus und hielt sie ihr hin.
»Du hast keine Schuhe an«, stellte er unnötigerweise fest.
Sofort stieg Wut in Emily auf. Daraus wollte er ihr einen Vorwurf machen?
»Ja, stell dir vor«, zischte sie mit zusammengepressten Zähnen. »Da war ich wohl nicht passend angezogen für eine Entführung mitten in der Nacht, von einem durchgeknallten Mädchenmörder.«
Ihre Worte waren scharf wie Pfeilspitzen, und dass sie getroffen
Weitere Kostenlose Bücher