Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)
Luft. »Schon gut, schon gut«, lenkte er beschwichtigend ein. »Ich tue deinem Täubchen schon nichts. Ich habe etwas viel Besseres.«
Er schmiegte seine Wange in Emilys Haar.
»Und trotzdem«, flüsterte er so sanft, dass sich Emilys Magen vor Grauen zusammenzog. »Waffe runter!« Die Hand mit dem Skalpell näherte sich Emilys Halsschlagader, wo die kühle Klinge fast zärtlich ihre Haut berührte.
Emilys Augen weiteten sich vor Entsetzen, als Josh ohne zu zögern seine Pistole auf den Boden legte und mit dem Fuß in Richtung Fenster trat. Als habe er damit gerechnet, dass dieser Teil seines Plans so oder so zum Scheitern verurteilt war.
Quayle kicherte, aber er lockerte den Griff um ihren Hals ein wenig.
»Sehr gut«, sagte er. »Nun können wir reden.«
Josh verschränkte die Arme vor seiner Brust und nickte in Emilys Richtung. »Lass sie gehen, sie hat nichts damit zu tun«, befahl er.
»Lass sie gehen, sie hat nichts damit zu tun«, äffte er Josh nach. »Der Klassiker. Für wie dumm hältst du mich?«
Emily öffnete ihren Mund, aber Josh warf ihr einen warnenden Blick zu. Also schwieg sie.
»Worum geht es hier eigentlich?«, herrschte er Quayle an.
Emily beschlich der Verdacht, dass Josh genau wusste, worum es hier ging.
Doch Quayle schien zu überlegen. »Mal sehen«, antwortete er gedehnt, »wie wäre es mit … Rache? Dafür, dass du und diese kleine Schlampe hier mich dreißig Jahre meines Lebens gekostet haben?«
»Du hättest gerne noch mehr Mädchen umgebracht?« Joshs Tonfall war nichts als Verachtung.
»Ich hätte gern mein Leben gelebt«, schrie Quayle ihm entgegen, »aber dieses kleine Stück Dreck hier musste mich ja in die Pfanne hauen!«
Er schüttelte Emily, und wie aus Versehen streifte das Skalpell ihre Wange.
Sie schnappte hörbar nach Luft, und Josh machte einen Schritt nach vorn.
»Bleib verdammt noch mal stehen!« Quayle brüllte jetzt.
Und auf einmal erwachte Emily aus ihrer Trance.
Vielleicht war es Joshs Nähe, vielleicht Quayles Wut, plötzlich brachte Emily den Mut auf, sich gegen ihren Peiniger zu stellen.
Ihre Arme konnte sie nicht benutzen, aber ihre Beine. Also trat sie nach Quayle, umwickelte seine Wade mit ihrem Unterschenkel, in der Hoffnung, ihn zu Fall zu bringen. Vor Überraschung ließ er die Hand mit dem Skalpell ein Stück sinken, und Emily streckte ihren Hals so weit es ging in die entgegengesetzte Richtung. In dem Gerangel verloren beide den Halt, und Emily fürchtete schon, mit auf den Boden gerissen zu werden, als eine Hand sie von hinten packte und aus Quayles Armen riss.
Emily taumelte seitwärts und stieß hart gegen Matts Brust. Für den Bruchteil einer Sekunde sahen sie sich in die Augen.
»Ich hab ihn«, hörte sie Josh rufen, und als sie sich umdrehte, kniete er auf Quayle, der bäuchlings auf dem Boden lag, die Hand mit dem Skalpell unter Joshs Schienbein, die andere auf dem Rücken verdreht.
Joshs Blick lag auf Emily, als er sagte: »Keine Sekunde zu früh, kleiner Bruder.«
Matt antwortete nicht. Stattdessen trat er hinter Emily und befreite sie von ihrer Handfessel. Sie sog die Luft ein, als die Schnur sich an den offenen Stellen in ihre Haut rieb. Matt hielt einen Moment lang inne und löste dann ganz vorsichtig das Seil.
»Danke«, murmelte sie, während sie die Arme vor ihren Körper streckte. Ihre Haut war von roten Striemen übersät und von dünnen Streifen getrockneten Blutes. Schnell ließ sie die Ärmel ihres Pullovers darübergleiten und verschränkte die Arme vor der Brust. Es tat weh, aber sie wollte nicht noch verletzlicher wirken, als es ohnehin schon der Fall war.
Josh musterte sie mit gerunzelter Stirn. »Wie geht es dir?«, fragte er besorgt. »Bist du verletzt? Was hat er dir getan?«
»Er hat mich verwechselt«, krächzte Emily und räusperte sich dann. Ihre Stimme klang, als sei sie seit Tagen nicht benutzt worden. »Er … ich war im Salon und …« Plötzlich fiel ihr das Fotoalbum wieder ein.
Sie sah Josh an und dann Matt, und in ihrem Kopf drehte sich alles.
Die Brüder tauschten einen Blick.
Quayle lachte sein hässliches Lachen. »Wem versuchst du hier eigentlich was vorzumachen, Schätzchen?«, fragte er abfällig. Er hatte den Kopf zur Seite gedreht und starrte zu ihr hoch.
Josh verstärkte den Griff um seinen Arm, und im nächsten Moment schrie er vor Schmerz.
»Wie hat er uns gefunden?«, fragte Matt an seinen Bruder gerichtet.
Josh schüttelte den Kopf. »Ich habe nicht den leisesten Schimmer«,
Weitere Kostenlose Bücher