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Zwanghafte Gier

Zwanghafte Gier

Titel: Zwanghafte Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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Mann«, hatte Jude gesagt und war in den Rettungswagen gestiegen.
    Er war noch immer im Royal Sussex County Hospital gewesen, als Ray Cobbins Stunden später eingetroffen war. Der Mann war völlig verzweifelt gewesen, doch Jude hatte nicht mit ihm gesprochen, denn die Ärzte hatten sich sehr um ihn gekümmert. Sie hatten dem alten Herrn erklärt, sein Sohn liege auf der Intensivstation und sei derzeit noch ohne Bewusstsein. Und auch wenn es schrecklich war, dass Earl seinen Vater nicht einmal bemerkte, so war Jude doch froh, dass er hier war, denn den Aussagen der Ärzte zufolge waren die Verletzungen tatsächlich so schlimm, wie die Kollegen auf dem Bau befürchtet hatten.
    »Kopf und Wirbelsäule sind wohl verletzt«, hatte Jude Ron Clark über das Telefon informiert. »Allerdings ist es zu früh, um abschließend sagen zu können, wie sich alles entwickeln wird.«
    »Verdammte Scheiße«, hatte Ron geflucht. »Der arme Kerl.«
    »Soll ich noch hierbleiben?«, hatte Jude gefragt. »Ich habe das Gefühl, ich stehe hier nur im Weg herum. Oder soll ich zurückkommen?«
    »Nicht nötig, Kumpel«, hatte Ron geantwortet. »Wir sollen so oder so erst mal die Hämmer weglegen, bis die Bauaufsicht wieder grünes Licht gibt. Ehrlich gesagt bin ich ganz froh darüber. Ich muss zugeben, dass ich im Augenblick ohnehin nicht den Nerv dazu hätte.«
    Jude war in seine kleine Studiowohnung zurückgegangen, deren Miete so gering war, dass er sie sich leisten konnte, obwohl sie in der Union Street in Lanes, einem Stadtteil von Brighton lag. Auch wenn er sich inzwischen daran gewöhnt hatte, allein zu leben, hätte er sich jetzt doch gewünscht, jemand wäre da gewesen, um ihn in den Arm zu nehmen.
    Jude hatte sich ein Sandwich gemacht, es aber nicht essen können. Dann hatte er den Fernseher eingeschaltet, doch auch das war ihm rasch auf die Nerven gegangen. Also hatte er beschlossen, ein wenig zu malen und zu zeichnen. Aber selbst dafür brachte er im Augenblick keinen Enthusiasmus auf. Okay, er kannte Earl zwar nicht so gut – er hatte ihn erst in Luddesdown Terrace kennen gelernt –, aber er mochte ihn, mochte seine gelassene Sicht auf das Leben und die Tatsache, dass auch er ein Arbeitstier war. Und da er weder eine Frau noch eine feste Freundin besaß, hoffte Jude, dass Earl wenigstens gute Kumpel hatte, denn sollte er diese Katastrophe überleben, würde er alle Unterstützung brauchen, die er bekommen konnte.
    Nun, am Morgen danach, waren es nicht nur die Erinnerungen an den Unfall oder Earls Leiden, die Jude zu schaffen machten. Es war die Erinnerung an Ray Cobbins’ Gesicht, als er seinen Sohn zum ersten Mal gesehen hatte. Seine Haut war noch dunkler als Earls, doch sie war schlagartig grau geworden, und das – so vermutete Jude – hatte die Erinnerung an seine eigene Mutter und den Traum wieder geweckt.
    Seine Mutter war an jenem Tag auch so schrecklich grau im Gesicht gewesen. Fast hatte er den Eindruck gehabt, als würde sie vor seinen Augen verfallen.
    Und dieser Verfall hatte zweiundsiebzig Stunden lang gedauert.
    Dann hatte sie ihren Bademantelgürtel und zwei Schals aneinander gebunden, war in die Garage gegangen, hatte das Tor geschlossen und sich erhängt.
    Es war das Ende von Judes Kindheit gewesen.

8
    Nach nur vierzehn Tagen, die sie für Roz arbeitete, wusste Frankie, dass sie die Richtige war.
    Roz war alleinstehend, seit Jahren geschieden, hatte keine nahen Verwandten und keinen Kerl. Sie war noch nicht so alt, dass sie Rente bekommen hätte, und offenbar gesund genug, um nicht regelmäßig zum Arzt zu müssen.
    Außerdem war sie reich genug, dass sie dreimal die Woche ins Spielcasino gehen konnte.
    Und sie besaß ein Haus, das so passend für Frankie war, dass es förmlich zu ihr sang .
    Mussichhaben.
    Ein schmuckes graues Ziegelhaus auf dem Winder Hill in Rottingdean.
    Ein Haus mit einem Wintergarten.
    Nicht dass Frankie sich je als »Wintergartentyp«, betrachtet hätte. In Frankies Augen waren Wintergärten etwas für Rentner mit genügend Geld, die keine Lust mehr auf Urlaub hatten.
    Aber dieser spezielle Wintergarten besaß einen freihängenden Boden.
    Mit einem Raum darunter.
    Und eine Falltür – sauber in die Fliesen eingearbeitet und unter einem Teppich verborgen (weiß mit einem Hauch von Marineblau, um besser mit dem Rest zu verschmelzen) –, durch die man Zugang zu den Rohren und Kabeln hatte.
    Tatsächlich war der Raum ziemlich groß. Frankie war mehr als einmal dort unten gewesen, um

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