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Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte

Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte

Titel: Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
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1

    »Bald wird die Sonne aufgehen«, stellte Balthazar fest.
    Seit Stunden waren dies die ersten Worte, die laut ausgesprochen wurden. Auch wenn ich nichts von dem, was Balthazar zu sagen hatte, hören wollte – in dieser Sache nicht und auch sonst in keiner –, wusste ich doch, dass er recht hatte. Vampire konnten das Heranrücken des Tagesanbruchs tief in ihren Knochen spüren.
    Konnte auch Lucas es fühlen?
    Wir saßen im Projektorraum eines verlassenen Kinos, dessen posterbehängte Wände noch die Spuren des Kampfes in der vorherigen Nacht trugen. Vic, der einzige Mensch unter den Anwesenden, döste, den Kopf an Ranulfs Schulter gelehnt; sein sandfarbenes Haar war zerzaust. Ranulf saß reglos da und hatte sich die blutbesudelte Axt quer über die Knie gelegt, als ob er jede Sekunde mit neuerlicher Gefahr rechnete. Sein langes, schmales Gesicht und sein Topfhaarschnitt ließen ihn mehr denn je wie einen Heiligen aus dem Mittelalter aussehen. Balthazar stand in einer Ecke auf der anderen Seite: Aus Respekt gegenüber meiner Trauer hielt er gebührenden Abstand. Doch seine Körpergröße und seine breiten Schultern sorgten trotzdem dafür, dass er mehr als genügend Raum einnahm.
    Ich wiegte Lucas’ Kopf in meinem Schoß. Wäre ich noch am Leben oder ein Vampir, hätten so viele Stunden der Bewegungslosigkeit mich steif gemacht. Als Geist musste ich jedoch auf die physischen Bedürfnisse meines Körpers keine Rücksicht mehr nehmen, und so war ich in der Lage gewesen, Lucas die ganze endlose Nacht seines Todes in meinen Armen zu halten. Ich strich mir meine langen, roten Haare aus dem Gesicht und versuchte zu vergessen, dass die Spitzen in Lucas’ Blut getaucht gewesen waren.
    Charity hatte ihn vor meinen Augen getötet. Sie hatte sich seinen verzweifelten Wunsch, lieber mein Leben als sein eigenes zu schützen, zunutze gemacht: ihr letzter und entsetzlichster Versuch, mir Schaden zuzufügen. Getrieben wurde sie dabei von ihrem Hass auf jeden, der Balthazar etwas bedeutete – Balthazar, ihrem Bruder und Erschaffer. Sie hatte ein Vampirtabu gebrochen, als sie jemanden tötete, der schon vorher von einem anderen Vampir gebissen worden war, sodass er bereits für den Übergang von den Lebenden zu den Untoten vorbereitet war. Lucas war dazu bestimmt gewesen, von mir verwandelt zu werden, von niemandem sonst. Aber Charity hatte sich schon lange nicht mehr um Tabus gekümmert. Sie hatte sich um überhaupt nichts und niemanden mehr geschert, und nur noch ihre verquere Beziehung zu Balthazar war für sie in irgendeiner Weise wichtig.
    Wo auch immer sie jetzt gerade war, sie grämte sich ganz sicher nicht, weil sie mir das Herz gebrochen und Lucas zu genau dem Schicksal verdammt hatte, das sie selbst so hasste.
    Ich wäre lieber tot , hatte Lucas immer gesagt. Als ich noch am Leben und so viel unwissender gewesen war, hatte ich davon geträumt, dass er gemeinsam mit mir zum Vampir werden würde. Aber er war von den Jägern des Schwarzen Kreuzes aufgezogen worden, die die Untoten verabscheuten und sie mit der Leidenschaft eines Kultes verfolgten. Für Lucas war es immer der größte Albtraum gewesen, zum Vampir zu werden.
    Und nun wurde dieser Albtraum wahr.
    »Wie lange noch?«, fragte ich.
    »Es können nur noch Minuten sein.« Balthazar trat einen Schritt näher, entdeckte den Ausdruck auf meinem Gesicht und blieb stehen. »Vic sollte jetzt gehen.«
    »Was ist denn los?« Vics verschlafene Stimme hörte sich krächzend an. Er richtete sich auf, und auf seinem Gesicht zeigten sich zunächst Verwirrung und dann Entsetzen, als er einen Blick auf Lucas’ Leichnam warf, der blutig und kreidebleich auf dem Boden lag. »Oh. Ich … Eine Sekunde lang dachte ich, ich hätte vielleicht nur einen Albtraum gehabt. Aber … Es stimmt also.«
    Balthazar nickte. »Tut mir leid, Vic, aber du musst jetzt gehen.«
    Ich verstand auf einmal, was Balthazar meinte. Meine Eltern hatten immer gewollt, dass ich in ihre Fußstapfen treten sollte, und so hatten sie mir von den ersten Stunden der Umwandlung berichtet. Wenn Lucas als Vampir erwachte, würde es ihn mit aller Macht nach so viel frischem Blut verlangen, wie er nur bekommen konnte. Im ersten Rausch des Erwachens würde sein Hunger jeden anderen Gedanken aus seinem Kopf vertreiben.
    Er würde hungrig genug sein, um zu töten.
    Vic ahnte davon nichts. »Komm schon, Balthazar. Ich bin jetzt schon so weit mit euch gegangen. Ich will Lucas nicht ausgerechnet jetzt

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