Zwanghafte Gier
siebzigtausend Pfund darauf und ein Bankkonto mit knapp über dreißigtausend – und keine Probleme, auf eines dieser Konten zuzugreifen, solange Frankie ein gewisses Limit nicht überschritt, denn sie wusste genau, dass auch die Geheimzahlen der Scheckkarten in dem kleinen Buch standen. Zudem ist Frankie ziemlich sicher, dass Roz ihr Bargeld im Schlafzimmersafe aufbewahrt, denn einmal war sie mit leeren Händen hineingegangen und kurz darauf mit genug Barem wieder zurückgekehrt, um den Gärtner zu bezahlen, der ihr eine Fuhre Topfpflanzen gebracht hatte. Ein andermal bat sie Frankie, mehr als das Übliche einzukaufen; dann ging sie ins Schlafzimmer, schloss die Tür hinter sich und kehrte gleich darauf mit einem ganzen Bündel Banknoten wieder zurück. Dreißig Pfund gab sie Frankie; den Rest steckte sie in ihre Handtasche.
Vielleicht waren Spielgewinne in dem Safe – oder etwas Heikleres.
Trotzdem war es nett, auch Zugang zu etwas Koscherem zu haben.
»Verraten Sie keinem Ihre PIN-Nummer, und schreiben Sie sie niemals auf«, ermahnten die Banken stets ihre Kunden, und sollte Frankie je ihre eigene PIN haben, würde sie das auch niemals tun. Aber sie war ja auch nicht so eine dusselige Spielerin wie Roz Bailey.
Doch etwas von einer Spielerin hatte auch sie, sonst hätte sie sich nie auf so etwas eingelassen. Egal wie oft sie ihren Plan durchging und immer wieder überprüfte – ein gewisses Restrisiko blieb.
Aber dusselig war Frankie nicht.
»Dusselig« passte nicht zu ihrem Zustand.
Zwangsneurose traf es viel besser.
Vermutlich machte sie das zum genauen Gegenteil von »dusselig«.
Während der langen Planungsphase war das größte Dilemma, dem sie sich gegenübersah, die Frage, was sie mit der Leiche tun sollte.
Natürlich war sie nicht der erste Mörder mit diesem Problem, doch das tröstete Frankie auch nicht. Allerdings nahm sie an, dass es nicht viele Mörder mit ihren speziellen persönlichen Problemen gab ... es sei denn, Zwangsneurosen gehörten zu jener Art von Umständen, nach denen die Polizei bei Mordfällen automatisch suchte. Vielleicht stand »Zwangsneurose« ja auf der Motivliste gleich neben »schlimme Kindheit«.
Doch Frankie hatte keine schlimme Kindheit gehabt. Sie stammte nicht aus einem zerrütteten Elternhaus ... zumindest war es nicht zerrüttet, als sie noch klein gewesen war. Heute sah das ein wenig anders aus. Ihre Eltern hatten sich nach Spanien verpisst – nicht zuletzt, weil sie von ihrer Tochter hatten wegkommen wollen.
»Ich kann es nicht mehr ertragen«, hatte ihre Mutter, Angela, mehr als einmal gesagt.
Sie konnte Frankie nicht mehr ertragen, hatte sie damit gemeint.
»Ich bin nur einen Steinwurf von der Panik entfernt«, war Tim Barnes’ Lieblingsspruch gewesen.
Ihr Dad war nicht gerade originell.
Aber er hatte natürlich recht, das wusste sie.
Trotzdem: In Frankies Kindheit hatte es keine Tragödien gegeben, die das hier hätten erklären können. Keine nennenswerten Entbehrungen. Kein Missbrauch. Auch war sie nie geschlagen worden, weder daheim noch in der Schule. Sie war keine Außenseiterin gewesen. Im Gegenteil hatte sie sogar ziemlich leicht Freundschaften geschlossen. Sie war kein Mensch, den man als »Einzelgänger« bezeichnet hätte.
Zumindest damals nicht.
Es war schwer zu sagen, wann die Zwanghaftigkeit eingesetzt hatte. Frankie glaubt, dass es ungefähr zu der Zeit begonnen haben musste, als sie ihre erste Periode gehabt hatte; sicher ist sie jedoch nicht, denn damals war es ihr keineswegs seltsam vorgekommen, immer alles sauber und am rechten Platz haben zu wollen. Natürlich hatte sie gewusst, dass sie sich von vielen ihrer Freundinnen unterschied. Außerdem war sie das völlige Gegenteil ihrer Mutter gewesen, für die Hygiene ein Fremdwort gewesen war ... nicht dass Frankie sich daran erinnern kann, sich dadurch je eine Krankheit eingefangen zu haben; sie weiß nur, dass es ihr bisweilen peinlich war, Freunde mit nach Hause zu bringen, und vielleicht wurde sie deshalb ihrerseits auch nur selten eingeladen. Aber das machte ihr nichts aus.
Als sie ein Teenager war, gerieten die Dinge dann außer Kontrolle: das Waschen, das Saubermachen und die Streitereien mit ihren Eltern.
»Du hast sie ja nicht mehr alle«, sagte ihr Vater.
»Warum sagst du so was?«, entgegnete sie. »Weil ich es sauber mag?«
»Du hast ’ne Schraube locker«, sagte ihre Mutter, »wenn du glaubst, wir würden unsere Gewohnheiten ändern, nur weil du diesen
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