Zwanghafte Gier
verschwindet in der Dunkelheit und schlägt mit einem ohrenbetäubenden Scheppern auf. Frankie ist froh, dass das Ding aus Stahl ist; sie hofft nur, dass die Laufrollen nicht abgebrochen sind.
Langsam lässt sie sich ebenfalls hinunter, kniet sich hin, holt eine Taschenlampe heraus und schaut sich um.
Eine der Laufrollen hat sich gelockert, doch die anderen sitzen noch bombenfest.
Wichtiger ist jedoch, dass sie die Maße richtig berechnet hat: Sie kann das Ding bis in die hinterste Ecke schieben, so weit weg von der Warmwasserleitung, wie es nur geht.
Und es ist auch noch genug Platz da, um den Deckel aufzumachen.
Doch was jetzt kommt, hat sie nachts nicht schlafen lassen.
Frankie klettert wieder hinaus und dreht sich zu dem Ding um, dessen Anblick sie bis jetzt so sorgfältig gemieden hat.
Nein. Ein Ding ist das nicht.
Roz sitzt noch immer in ihrem Sessel, fast vollständig von einer Decke verhüllt. Nur ihre Slipper und die Fingerspitzen einer Hand sind zu sehen.
Roz zu bewegen, kommt als Nächstes.
Jetzt.
Zuerst nimmt Frankie die Plastiktüte ab. Wenn sie später an Roz denkt – was hoffentlich nicht zu oft der Fall sein wird –, will sie sich nicht mit einer am Hals festgebundenen Tüte an sie erinnern. Das wäre ein viel zu hässlicher Gedanke. So schrecklich es auch ist, es muss sein.
Dann wird sie Roz vom Sessel nehmen.
Zur Vorbereitung hat Frankie schon seit Wochen ihre Pillen gespart. Sie hat ihre reguläre Dosis deutlich verringert, obwohl sie weiß, dass das schlecht für sie ist. Das schreit förmlich nach Ärger, doch wenn sie keine Vorsichtsmaßnahmen getroffen und ihre Medikation jetzt heraufgesetzt hätte – wer weiß, was für eine Panikattacke sie jetzt befallen hätte, und das konnte sie sich nun wirklich nicht leisten.
Ärzte würde sie jetzt für lange Zeit meiden müssen, vor allem Seelenklempner.
Erst einmal muss das hier vorbei sein, und dann braucht sie Zeit zur Erholung. Sie muss in ihrem neuen Heim Wurzeln schlagen, in ihrem neuen Leben.
Aber zuerst muss sie Roz abtransportieren.
Eigentlich ist das gar nicht mehr Roz.
Vergiss das nicht.
Halt dich an dem Gedanken fest.
Und als sie nun mit dem Schlimmsten beginnt, dem Allerschlimmsten, ist es dann doch nicht so schrecklich, wie sie befürchtet hat. Ob es an der hohen Pillendosis liegt, ob es Teil ihrer Neurose oder schlicht Glück ist, vermag Frankie nicht zu sagen. In jedem Fall fühlt sie sich gar nicht mal schlecht, eher ruhig.
Stark genug, um den Job zu erledigen.
Dann ist es vorbei. Nur der Lieferwagen muss noch zurückgebracht werden. Das wird sie erledigen, sobald sie sich gründlich gewaschen und ausgeruht hat.
Bo wäre stolz auf dich , sagt sie sich später, nach ihrer fünften Dusche, als kein heißes Wasser mehr im Boiler ist. Völlig erschöpft taumelt sie ins Bett – Roz’ Bett, das nun ihr gehört, mit frischen Laken, ihren eigenen Laken, und gründlich, gründlich gesaugter Matratze. Frankie ist mehr als nur erschöpft, sie ist vollkommen am Ende. Ihr Rücken und ihre Schulter brennen vor Schmerz, und ihr ganzer Körper und ihr Verstand sind ausgelaugt.
Das ist eine verdammte Lüge.
Ihr Verstand arbeitet noch gut genug, um ihr das zu sagen.
Bo wäre entsetzt von dem, was sie getan hat. Er würde sie dafür bestrafen.
Aber Bo ist nicht hier , ermahnt Frankie sich. Also ist es egal.
9
Alex bemerkte ihn sofort.
Er stand am Lift im Erdgeschoss eines der Gebäude des Royal Sussex County Hospital.
Er hatte irgendwas an sich. Es war nicht sein Aussehen, obwohl das zweifellos auch eine Rolle spielte, und Alex fragte sich sofort, ob mehr als nur sein dunkelbraunes Haar sie an Matt erinnerte.
Nein. Dieser Mann, in Jeans und einer alten braunen Lederjacke, war zwar auch schlank, sah aber sportlicher aus als Matt und erinnerte mit seiner schmalen, leicht gekrümmten Nase an einen Leichtgewichtsboxer.
Aber er sah nicht tough aus, definitiv nicht.
Doch da war etwas.
Etwas Besonderes.
Er drehte sich um und sah, dass sie ihn anschaute.
Er lächelte sie an. Es war ein nettes Lächeln, und in den Augenwinkeln seiner braunen Augen bildeten sich Lachfältchen.
Und plötzlich, nur für ein, zwei Sekunden, war Alex wieder ein Mädchen von elf Jahren. Sie wollte nur weg, war sicher, dass er sah, was sie fühlte; aber sie konnte sich nicht bewegen.
Und dann öffnete sich die Aufzugtür, und er ging hinein. Andere Leute folgten ihm, sodass er im Gedränge der Fremden verschwand.
Und Alex bemerkte, dass sie
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