Zwanzigtausend-Dollar-Date
Jonathon auf keinen Fall sagen, wie wenig komisch die Situation in Wirklichkeit war. Statt ihm also Näheres zu erzählen, konzentrierte er sich ganz darauf, seine beiden Laptops, die er auf Reisen immer dabeihatte, auszupacken und an die Monitore auf seinem Schreibtisch anzuschließen.
Doch Jonathon ließ nicht locker. „Du hast also keine Grundstücke gefunden, die infrage …“
„Nein. Hab ich nicht. Und falls ihr, du und Ford, mir nicht meinen Anteil an FMJ auszahlen wollt, dann solltest du nie wieder davon reden, dass ihr in Palo Verde eine Niederlassung eröffnen wollt.“
Jonathon hielt inne, den Kaffeebecher auf halbem Weg zu seinem Mund. „Oookay.“
Matt ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl fallen. Großartig. Das war eben superintelligent. Jetzt würde Jonathon nie erraten, dass etwas nicht in Ordnung war. Eigentlich sollte er sich bei ihm entschuldigen. Stattdessen machte Matt sich daran, seine E-Mails herunterzuladen, einschließlich der überarbeiteten Produktionsdaten für die neue Windturbine. Und das ließ ihn sofort an Claire denken und daran, wie sie sich im Fond der Limousine rittlings auf ihn gesetzt hatte. Verdammt.
Er schloss die Datei. Nach einem Moment hörte er, wie Jonathon an seinem Computer weiterarbeitete. Leider war es mit Matts Konzentration vorbei, und er kam nur schleppend voran. Schließlich beschloss er, doch ins Versuchslabor hinüberzugehen. Er konnte es schlecht auf Dauer meiden, nur weil es nun mit Erinnerungen an Claire behaftet war. In seinem Haus gab es ebenfalls jede Menge Erinnerungen an sie, und er würde es deswegen ja auch nicht verkaufen. Dass er nicht mehr in seinem Bett schlafen konnte, ging niemanden etwas an.
Ehe er jedoch die Tür des Büros erreichte, steckte Wendy ihren Kopf herein und hielt ihm einen Aktendeckel entgegen. Nach einem Blick auf Jonathon flüsterte sie Matt zu: „Hier ist die Information, die du wolltest. Es ist alles, was ich auf die Schnelle recherchieren konnte. Falls du mehr brauchst, einer meiner Nachbarn …“, wieder sah sie hastig in Jonathons Richtung, „… ist Privatdetektiv. Er ist auf solche Nachforschungen spezialisiert. Ich könnte ihn anrufen.“
Offenbar versuchte sie, diskret zu sein. Er wusste das zwar zu schätzen, fühlte sich aber trotzdem miserabel. Schließlich hatten Ford und Jonathon immer alles über ihn gewusst, seit er zwölf war. Und er würde diese Geschichte ja sowieso nicht ewig vor ihnen verheimlichen.
Daher ging Matt zu Jonathons Schreibtisch hinüber, sobald Wendy die Tür hinter sich geschlossen hatte. Er schlug die Akte auf und überflog die erste Seite.
Es war eine Kopie von Kyle Walsteads Geburtsurkunde. An der Stelle, wo der Name des Vaters hätte eingetragen sein sollen, stand ein einziges Wort: Unbekannt.
Matt blätterte weiter, ehe er seinem Impuls nachgab, die Seite zu zerknüllen. Die folgenden Seiten stammten offenbar aus der Wochenzeitung von Palo Verde. Es gab einige Fotos von Kyle, auch eine Nahaufnahme zu einem Artikel über die Batteriesammelaktion seiner Pfadfindergruppe. Dann waren da noch ein paar Gruppenfotos mit Berichten über sein Fußballteam.
Matt besah sich die Bilder genauer. Auf dem Bild zu der Recyclingaktion sah Kyle ganz so aus wie am Vortag, als er ihn auf Claires Veranda getroffen hatte: ernst und nachdenklich. Auf einem der Fußballfotos lächelte er und hatte einen Arm um die Schulter eines anderen Jungen gelegt. Die Mannschaft hielt einen Pokal hoch.
Dieses Foto gab Matt zu denken. Was tat er da eigentlich? Warum machte er sich überhaupt die Mühe mit einem Anwalt? Wollte er die Walsteads wirklich vor Gericht bringen? Oder gar Claire? Wollte er die Familie dieses Jungen auseinanderreißen, damit ihm selbst so etwas wie Gerechtigkeit widerfuhr?
Er war wütend, ja, aber er konnte sich nicht vorstellen, diesen Schritt zu tun.
Angewidert von der ganzen Geschichte und sich selbst warf er die aufgeschlagene Akte auf Jonathons Tisch. „Das hier ist der Grund, warum ich vorzeitig aus Palo Verde abgereist bin.“ Er tippte auf die Nahaufnahme von Kyle. „Das ist der Grund, warum ich nie wieder dorthin zurückwill.“
Jonathon sah gebannt auf das Foto. „Himmel, er sieht genauso aus wie du.“
Matt fuhr sich mit einer Hand übers Haar, dann suchte er Jonathons Blick. „Nicht nur wie ich. Er hat Claires Kinn.“
Jonathon schaute erneut ungläubig auf das Bild und stieß einen leisen Pfiff aus. „Sie hat einen Sohn, von dem sie dir nie etwas gesagt hat?
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