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Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Titel: Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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manchmal gefallen. Wandte ich mich um, so sah ich stets die weißliche Leuchte des Nautilus, welche in der Entfernung zu erbleichen begann.
    Diese Steinschichtungen, wovon ich eben sprach, waren auf dem Grunde des Oceans mit einer gewissen Regelmäßigkeit gereiht, welche ich nicht zu erklären wußte. Ich gewahrte riesenhafte Furchen, die sich im fernen Dunkel verloren, und deren Länge man nicht zu schätzen im Stande war. Noch andere besondere Eigenthümlichkeiten zeigten sich, welche ich nicht zu erklären wußte. Es kam mir vor, als zertraten meine schweren bleiernen Sohlen eine Lage von Gebein, das mit trockenem Geräusch krachte. Was war dies für eine weite Ebene, über die ich hinschritt? Ich hätte den Kapitän fragen mögen, aber seine Zeichensprache, wodurch er mit seinen Gefährten, wann sie ihn bei seinen unterseeischen Ausflügen begleiteten, sich verständigen konnte, war mir noch unverständlich.
    Inzwischen vergrößerte sich der röthliche Schein, welcher uns leitete, und setzte den Horizont in Flammen. Daß es unter den Wassern einen solchen Lichtheerd gab, beunruhigte mich im höchsten Grade. War’s eine elektrische Ausströmung, die sich kund gab? oder eine den Gelehrten der Erde noch unbekannte Naturerscheinung? Oder gar – der Gedanke fuhr mir durch den Kopf – hatte der Mensch bei dieser Gluth die Hand im Spiele? Fachte er diesen Brand an? Sollte ich auf tiefem Meeresgrunde Genossen, Freunde des Kapitäns Nemo finden, welche gleich ihm ein so seltsames Dasein hatten, denen er einen Besuch abstatten wollte? Sollte ich dort unten eine ganze Colonie Landesflüchtiger finden, welche des irdischen Elends müde, die Unabhängigkeit im tiefsten Grunde des Oceans aufgesucht und gefunden hatten? Alle diese tollen, unglaublichen Ideen verfolgten mich, und in dieser Stimmung des Geistes, der unablässig von den zahllosen Wundern, die unter meinen Augen geschahen, überspannt war, wäre ich nicht überrascht gewesen, wenn ich im tiefen Meeresgrunde auf eine der unterseeischen Städte, wovon der Kapitän Nemo träumte, gestoßen wäre!
    Unser Weg wurde immer heller. Der bleiche Schimmer strahlte auf dem Gipfel eines etwa achthundert Fuß hohen Berges. Aber was ich bemerkte, war nur der Widerschein, welcher sich durch das Krystall der Wasserschichten bildete. Die Quelle dieser unerklärbaren Helle, die Gluthstätte, war auf der entgegengesetzten Seite gelegen.
    Mitten in diesen steinigen Irrgängen, welche den Grund des Atlantischen Meeres durchzogen, ging der Kapitän Nemo ohne Anstoß weiter; er kannte die dunkeln Pfade. Ohne Zweifel hatte er sie schon oft gemacht, und konnte sich nicht verirren. Ich folgte ihm mit unerschütterlichem Vertrauen. Er kam mir vor, wie ein Genius des Meeres, und wenn er vor mir herschritt, bewunderte ich seine hohe Gestalt, die auf dem hellen Hintergrunde schwarz abstach.
    Um ein Uhr früh befanden wir uns an den ersten Gebirgsaufgängen; aber um hinauf zu kommen, mußte man sich durch die schwierigen Pfade eines ungeheuern Gehölzes wagen.
    Ja, ein Gehölz von abgestorbenen, blätterlosen, saftlosen Bäumen, die durch Einwirkung des Wassers mineralisirt waren, und über welche hier und da riesenhafte Fichten emporragten. Es war, so zu sagen, ein noch aufrecht stehender Kohlenschatz, der mit den Wurzeln im Boden steckte, und dessen Gezweig, gleich den seinen Papierausschnitten, sich auf der Oberfläche der Gewässer klar abzeichnete. Man stelle sich einen Harzwald an den Seiten eines Gebirges vor, aber einen versunkenen Wald. Die Pfade waren mit Tang und Meergras überschüttet, worunter eine Welt von Schalthieren wimmelte. Ich klimmte die Felsen hinan, schritt über hingestreckte Baumstämme, zerriß die Meer-Lianen, welche sich von einem Baum zum anderen hinzogen, scheuchte die Fische auf, welche von einem Zweig zum anderen entflohen. Fortgerissen, fühlte ich keine Müdigkeit. Ich folgte meinem Führer, welchem Ermüdung unbekannt war.
    Welch ein Schauspiel! Wie ließe sich ein Bild geben, von dieser Waldung und diesen Felsen, unten düster und wild, oben in der Färbung rother Töne durch Einwirkung jenes hellen Schimmers, welcher durch die zurückstrahlende Kraft der Gewässer verstärkt wurde? Wir klimmten Felsen hinan, die späterhin mit dem dumpfen Getöse einer Lavine zusammen fielen. Rechts und links zogen finstere Gänge, worin sich der Blick verlor.
    Der Kapitän Nemo ging stets aufwärts. Ich wollte nicht zurück bleiben, folgte ihm kühn, unterstützt durch

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