Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer
Fühlhörner gleich langem Haupthaar herabhingen; grüne, rothe, blaue Medusen, und besonders die großen Rhizotomen Cuvier’s, deren bläulicher Schirm mit einer violetten Guirlande umbordet ist.
Den ganzen 22. Februar brachten wir im Tang-Meer zu, wo die Fische, welche gerne Seepflanzen und Schalthiere fressen, reichliche Nahrung finden. Am folgenden Tage hatte der Ocean wieder ein gewöhnliches Aussehen.
Von da an neunzehn Tage lang, vom 23. Februar bis 12. März, fuhren wir unausgesetzt mit der Geschwindigkeit von hundert Lieues in vierundzwanzig Stunden. Der Kapitän Nemo wollte offenbar sein unterseeisches Programm ausführen; und ich zweifelte nicht, daß er im Sinne hatte, nachdem er um das Cap Horn herum gefahren, in die südlichen Meere des Stillen Oceans zurück zu kehren.
Ned-Land hatte daher Grund zu Besorgnissen gehabt. Auf hoher See durfte man ja nicht versuchen, vom Bord zu entweichen. Ebenso wenig konnte man sich dem Willen des Kapitäns Nemo widersetzen. Das einzige, was uns blieb, war Unterwerfung; aber ich gab mich gerne dem Gedanken hin, daß was man nicht mehr von der Gewalt oder List erwarten durfte, einmal durch Ueberredung zu erlangen sein würde. Sollte nicht der Kapitän Nemo nach Beendigung dieser Fahrt einwilligen, uns auf einen Eid, niemals das Geheimniß seines Daseins zu enthüllen, die Freiheit wieder zu geben? Wir würden ein Ehrenwort gehalten haben. Aber man mußte über diese delicate Frage mit dem Kapitän unterhandeln. Würde ich nun aber mit dieser Reclamation ankommen können? Hatte er nicht von Anfang an förmlich erklärt, das Geheimniß seines Lebens verlange unsere ewige Gefangenschaft am Bord des Nautilus? Mußte ihm nicht mein Stillschweigen seit vier Monaten als eine stille Genehmigung dieser Lage vorkommen? Den Gegenstand zur Sprache zu bringen, konnte ihm Verdacht einflößen, der unseren Plänen schaden mußte, wenn sich später eine günstige Gelegenheit ergeben sollte, sie wieder vorzunehmen? Ich erwog alle diese Gründe, überlegte sie in meinem Geist hin und her, besprach sie mit Conseil, der eben so verlegen war, wie ich. Schließlich, obwohl ich nicht leicht zu entmuthigen war, begriff ich doch, daß sich die Aussichten, meines Gleichen jemals wieder zu sehen, täglich minderten, zumal seit der Kapitän wie unsinnig in den Süden eilte!
Während der obgedachten neunzehn Tage begab sich kein besonderer Zwischenfall. Ich sah den Kapitän wenig. Er arbeitete. Ich sah in der Bibliothek öfters Bücher, die er aufgeschlagen liegen ließ, besonders naturhistorischen Inhalts. Mein Werk über den Meeresgrund war am Rande mit Anmerkungen bedeckt, welche oft mit meinen Theorien und Ansichten im Widerspruch waren. Aber der Kapitän beschränkte sich darauf, dergestalt meine Arbeit zu verbessern, und selten besprach er sich darüber mit mir. Manchmal hörte ich die melancholischen Töne seiner Orgel, die er sehr ausdrucksvoll spielte, aber nur bei Nacht, mitten in stiller Dunkelheit, wann der Nautilus in den einsamen Gegenden des Oceans schlummerte.
Während dieser Zeit fuhren wir ganze Tage lang auf der Oberfläche. Das Meer war wie öde und verlassen. Kaum sah man einige Segelschiffe, Ostindienfahrer in der Richtung nach dem Cap der guten Hoffnung. Eines Tages wurden wir von Wallfischjägern verfolgt, die uns ohne Zweifel für einen kostbaren Wallfisch ansahen. Aber der Kapitän Nemo wollte nicht diese wackeren Leute Zeit und Mühe verlieren lassen, und tauchte unter.
Die Fische, welche ich unterdessen mit Conseil beobachtete, unterschieden sich wenig von denjenigen, welche wir unter anderen Breiten studirt hatten. Hauptsächlich gehörten sie der fürchterlichen Gattung der Knorpelfische an, welche nicht weniger als zweiunddreißig Arten zählt: gestreifte Haifische, fünf Meter lang, mit plattem Kopf, der breiter als der Körper ist, zugerundeten Schwanzflossen, und sieben großen schwarzen Parallelstreifen der Länge nach auf dem Rücken; sodann perlgraue oder aschgraue mit sieben Kiefernöffnungen und einer einzigen Rückenflosse, ungefähr an der Mitte des Körpers.
Auch große Meerhunde zogen vorüber, die unendlich gefräßig sind. Es giebt Fischermärchen, welche berichten, man habe im Leib eines solchen einen Büffelkopf und ein ganzes Kalb gefunden; in einem anderen zwei Thunfische und einen Matrosen in Uniform u.a. dergl. Lassen wir nun dieses dahin gestellt sein, so waren diese Thiere doch immer von der Art, daß sie sich in den Garnen des Nautilus
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