Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer
eins der reizendsten Erzeugnisse der Tropennatur zu erwischen!
Man wird’s versuchen, Herr Professor, obwohl ich mehr geübt bin, mit der Harpune, als mit der Flinte umzugehen!«
Die Malayen, welche mit diesem Vogel viel Handel nach China treiben, bedienen sich, um sie zu fangen, verschiedener Mittel, welche wir nicht anwenden konnten. Bald legen sie Schlingen auf die Gipfel hoher Bäume, wo sich die Paradiesvögel vorzugsweise aufhalten. Bald fangen sie dieselben mittelst eines Leimes, der ihre Bewegungen hemmt. Sie gehen sogar so weit, daß sie die Quellen vergiften, wo diese Vögel zu trinken pflegen. Wir waren darauf angewiesen, sie im Flug zu schießen, wobei wir wenig Aussicht hatten, sie zu treffen. Und in der That, wir verbrauchten vergeblich einen Theil unserer Munition.
Gegen elf Uhr Vormittags war der vordere Theil der Berge, welche das Centrum der Insel bilden, durchschritten, und wir hatten noch nichts erlegt. Der Hunger spornte uns. Die Jäger hatten sich auf das Ergebniß ihrer Jagd verlassen, und sie hatten Unrecht. Glücklicherweise gelang Conseil, zu seiner großen Ueberraschung, ein doppelter Schuß, und er sicherte damit das Frühstück. Er erlegte eine weiße Täubin und eine Holztaube. Diese wurden rasch entfiedert, und an einen Bratspieß gesteckt, brieten sie bei einem hellen Feuer von dürrem Holz. Während dessen bereitete Ned die Frucht des Brodbaumes zu. Darauf wurde das Geflügel bis auf die Knochen verzehrt und vortrefflich befunden. Die Muscatnuß, welche sie gern fressen, giebt ihrem Fleisch einen seinen Würzgeschmack, macht es zu einem köstlichen Essen.
»Wie wenn die jungen Hühner sich von Trüffeln nährten, sagte Conseil.
– Und jetzt, Ned, was mangelt Ihnen? fragte ich den Canadier.
– Ein vierfüßig Wildpret, Herr Arronax, erwiderte Ned-Land. All’ dies Geflügel ist nur Beiessen und Zeitvertreib. Darum bin ich auch nicht zufrieden, so lange ich nicht ein Thier für Cotelettes erlegt habe!
– Ich auch nicht, Ned, wenn ich nicht einen Paradiesvogel erhasche.
– So wollen wir unsere Jagd fortsetzen, erwiderte Conseil, aber uns wieder zum Meer hinwenden. Wir sind am ersten Abhang des Gebirgs angekommen, und ich denke, es ist besser, wieder in die Waldgegend uns zu ziehen.«
Es war dies ein vernünftiger Rath, und er wurde befolgt. Nachdem wir eine Stunde gegangen, kamen wir in einen wahren Wald von Sagobäumen. Einige ungefährliche Schlangen flohen unter unseren Tritten. Die Paradiesvögel verloren sich, als wir in die Nähe kamen, und wahrhaftig, schon gab ich die Hoffnung auf sie zu erreichen, als Conseil, der voran ging, sich plötzlich bückte, und jubelnd zu mir zurückkam, einen prachtvollen Paradiesvogel in der Hand.
»Ah! Bravo! Conseil, rief ich aus.
– Mein Herr ist sehr gütig, erwiderte Conseil.
– Aber nein, lieber Junge. Da hast Du einen Meistergriff gethan. Einen solchen Vogel lebendig, und mit der Hand zu fangen!
– Wenn mein Herr es näher untersuchen will, wird er sehen, daß mein Verdienst dabei nicht groß ist.
– Und warum, Conseil?
– Weil der Vogel betrunken ist.
– Betrunken?
– Ja, mein Herr, trunken von den Nüssen des Muscatbaumes, unter welchem ich ihn gefangen habe. Sehen Sie, Freund Ned, was die Unmäßigkeit für Wunder thut!
– Tausend Teufel! entgegnete der Canadier, was ich seit zwei Monaten an Gin zu mir genommen, verdient nicht einen solchen Vorwurf!«
Inzwischen untersuchte ich den merkwürdigen Vogel. Conseil irrte nicht. Der Paradiesvogel war trunken von dem Saft, der ihm zu Kopfe stieg, und dadurch seiner nicht mächtig, konnte er nicht fliegen, kaum gehen. Das kümmerte mich aber wenig, und ich ließ ihn seinen Rausch ausschlafen.
Dieser Vogel gehört zu den schönsten der acht Arten, welche man auf Papuasien und den benachbarten Inseln zählt. Der »große Smaragdvogel« ist einer der seltensten. Er war drei Decimeter lang, sein Kopf verhältnißmäßig klein, seine Augen ebenfalls klein nächst der Oeffnung des Schnabels. Seine Färbung aber zeigte Nüancen zum Erstaunen: Der Schnabel gelb, Füße und Krallen braun, die Flügel nußfarbig mit purpurfarbenen Spitzen, Kopf und Hinterhals blaßgelb, die Kehle smaragden, Bauch und Brust kastanienbraun. Zwei lange, sehr leichte Federn mit hornartigem Stiel und äußerst seinem Flaum besetzt, ragten aus seinem Schwanz hervor, die Schönheit des merkwürdigen Vogels zu vollenden, welchem die Eingeborenen den Namen »Sonnenvogel« gegeben haben.
Ich wünschte
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