Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer
meinen Theil fuhr mit der Hand über meine Stirn, und fühlte da einige Tropfen kalten Schweißes.
»Wir wollen’s überlegen, sagte ich bei mir, und übereilen wir uns nicht. Fischotter in unterseeischen Wäldern zu jagen, wie wir’s auf der Insel Crespo gethan, geht noch an. Aber sich auf den Meeresgrund zu begeben, wenn man fast sicher ist, dort auf Haifische zu stoßen, ist doch etwas anderes! Ich weiß wohl, daß in manchen Ländern, besonders auf den Andamanen, die Neger bei der Hand sind, einen Dolch in einer Hand, eine Schlinge in der anderen, einen Haifisch anzugreifen, aber ich weiß auch, daß Viele, die keck genug sind, mit diesen furchtbaren Ungeheuern anzubinden, nicht mit dem Leben davon kommen! Uebrigens bin ich auch kein Neger, und wenn ich einer wäre, so würde, glaube ich, in diesem Falle eine leichte Bedenklichkeit meinerseits wohl an der Stelle sein.«
Ich stellte mir also in Gedanken die Haifische vor, ihre ungeheuren Kinnbacken mit vielen Reihen Zähnen, die einen Menschen mit einem Biß in zwei Theile zerlegen können. Da kam mir schon ein Schmerzgefühl um die Lenden. Sodann wollte mir doch die Gleichgiltigkeit nicht behagen, womit der Kapitän diese leidige Einladung gemacht hatte! Hätte man nicht meinen sollen, es handle sich nur darum, in einem Buschwerk einen Fuchs zu prellen?
»Gut! dachte ich, Conseil wird sich nie entschließen mit zu gehen, und das wird mich beim Kapitän entschuldigen.«
In Beziehung auf Ned-Land, gestehe ich, fühlte ich mich nicht so sicher seiner Klugheit. Eine noch so große Gefahr hatte für seine kampffertige Natur stets einen Reiz.
Ich machte mich wieder an die Lectüre des Buches von Sirr, aber ich blätterte nur mechanisch darin. Ich sah zwischen den Zeilen die fürchterlichen Kinnbacken aufgesperrt.
In diesem Augenblick traten Conseil und der Canadier ein, mit ruhiger, selbst heiterer Miene. Sie wußten nicht, was ihnen bevorstand.
»Meiner Treu’, mein Herr, sagte Ned-Land zu mir, Ihr Kapitän Nemo – hol’ ihn der Teufel! – hat uns soeben einen sehr annehmlichen Vorschlag gemacht.
– Ah! sagt’ ich, Sie wissen …
– Nehmen Sie’s nicht übel, mein Herr, erwiderte Conseil, der Commandant des Nautilus hat uns eingeladen, morgen in Gesellschaft meines Herrn die prächtigen Fischereien von Ceylon zu besuchen. Er hat die Einladung in seinen Worten gemacht, und sich wie ein echter Gentleman benommen.
– Sonst hat er Euch nichts gesagt?
– Nein, mein Herr, erwiderte der Canadier, außer daß er von dem kleinen Ausflug mit Ihnen gesprochen habe.
– In der That, sagte ich. Und er hat Ihnen nichts besonderes gesagt über …
– Nichts, Herr Naturforscher. Sie werden doch mit dabei sein, nicht wahr?
– Ich … ohne Zweifel! Ich sehe, daß Sie Geschmack daran bekommen, Meister Land.
– Ja! es ist merkwürdig, sehr merkwürdig.
– Gefährlich vielleicht! fügte ich mit schmeichelndem Tone bei.
– Gefährlich, erwiderte Ned-Land, ein bloßer Ausflug auf eine Austernbank!«
Offenbar hatte der Kapitän Nemo für unzuträglich gehalten, den Gedanken an Haifische bei meinen Gefährten anzuregen. Ich sah sie mit besorgtem Auge an, als wenn ihnen schon ein Glied mangele. Sollte ich sie warnen? Ja, gewiß, aber ich wußte nicht recht, wie es anzufangen.
»Wird mein Herr, sagte Conseil, die Güte haben, uns Näheres über die Perlenfischerei zu sagen?
– Ueber das Fischen selbst, fragte ich, oder über das, was dabei vorfallen …
– Ueber das Fischen, versetzte der Canadier. Ehe man auf etwas eingeht, muß man den Grund kennen lernen.
– Nun denn! Setzen Sie sich nieder, meine Freunde, und ich will Ihnen mittheilen, was ich von dem Engländer Sirr selbst soeben gelernt habe.«
Schwimmende Leichname im Meer. (S. 224.)
Ned und Conseil setzten sich auf einen Divan, und zuerst sprach der Canadier zu mir:
»Mein Herr, was ist denn eigentlich eine Perle?
– Lieber Ned, erwiderte ich, für den Dichter ist die Perle eine Thräne des Meeres; für die Orientalen ein fest gewordener Thautropfen; für die Frauen ein längliches Kleinod von durchsichtigem Glanz und Perlmutterstoff, welches sie am Finger, Hals oder am Ohr tragen; für den Chemiker eine Mischung von phosphorsaurem und kohlensaurem Salz mit ein wenig Leim, und endlich für den Naturkundigen nur eine krankhafte Ausscheidung des Organs, welches bei einigen zweischaligen Muscheln die Perlmutter erzeugt.
– Abtheilung der Mollusken, sagte Conseil, Classe der
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