Zwei Esel Auf Sardinien
sie kommt. Aus dem Senegal, sagt sie, und da drüben sei ihr Mann. Stolz zeigt sie in Richtung einer Gruppe von Männern.
»Und du, woher stammst du?«, frage ich die Stille.
»Aus Mali«, sagt sie leise. Zu gerne würde ich jetzt weiterfragen, mich nach ihren Schicksalen erkundigen. Wie kommen diese Menschen hierher, und was erhoffen sie sich von einer italienischen Insel? Sind sie illegal hier und werden als Arbeiter ausgebeutet, oder wurden sie bereits legal in Italien aufgenommen und können über ihr Geld verfügen? Sparen sie Geld, um als reiche Menschen in ihre Heimat zurückzukehren, oder wollen sie sich hier eine Existenz aufbauen? Tausend Fragen hätte ich in meiner Neugier, aber auch ich bin schüchtern. So stelle ich mich erst einmal vor und erzähle von meinen beiden Töchtern und was ich so mache, als Hausfrau, von meinem Hund und natürlich von Bruno, den sie neugierig mustern. Ich erzähle, was uns die letzten beiden Tage passiert ist. Die Stimmung wird immer besser auf unserer kleinen Tuchinsel, und die vier lachen und lachen. Na ja, so komisch finde ich unsere Geschichte nun auch nicht, und ich hege den Verdacht, dass sie entweder sehr höflich sind oder mich eigentlich gar nicht verstehen. Ganz selbstverständlich bin ich davon ausgegangen, dass sie alle Englisch sprechen, aber wer weiß?
Die Stille ist sichtlich aufgeschlossener geworden, denn sie fängt an, mir etwas auf Französisch zu erzählen. Ich frage sie, ob sie auch ein bisschen Italienisch spricht, denn in Französisch bin ich so begabt wie in Italienisch, äußerst bescheiden, aber im Mischmasch geht es vielleicht.
»Mein Name ist Verenice«, sagt sie in entzückendem Singsang, »und ich lebe hier mit meiner vierjährigen Tochter, die auf Sizilien geboren wurde. Seit zwei Jahren darf ich auf dem Hof von Marchese de Valdes leben und für ihn arbeiten.« Sie habe endlich die Aufenthaltsgenehmigung bekommen, da ihr Kind in Italien geboren sei. Einen Mann habe sie nicht, vor ihm und seiner schrecklichen Familie sei sie geflohen, gerade noch rechtzeitig, bevor ihre Schwangerschaft sichtbar geworden sei. Sie sei zu dieser Ehe gezwungen worden, der Vater habe dafür eine Kuh und zwei Schafe bekommen. Sie sei immer noch sehr traurig darüber.
»Ich bin in Mali geboren.« Sie sieht mich mit ihren dunklen mandelförmigen Augen intensiv an. »Genau im Dreieck zwischen Algerien und Mauretanien. Ich stamme aus einer Bauernfamilie und habe sieben Geschwister. Mein ältester Bruder ist sehr klug, er ist auf eine höhere Schule gegangen und hat studiert. Er ist Zahnarzt, und alle aus dem Dorf gehen zu ihm hin. Ihn liebe ich besonders, er hat mich immer beschützt, und auch als ich verheiratet wurde, hat er gesehen, dass es mir nicht gutgeht. Er hat mir geholfen zu fliehen, hat ein Auto organisiert, in dem ich mich verstecken konnte. Hat mir Geld gegeben, damit ich auf der Flucht nicht verhungere, und die Adresse eines österreichischen Touristen, dem er vor Jahren geholfen hat. Aber so weit bin ich nicht gekommen. Ich weiß auch nicht, wo Österreich liegt, und hier geht’s mir gut.«
Nun will ich es aber doch genauer wissen, so bitte ich Verenice, mir von ihrer Flucht zu erzählen. Meine Bewunderung für diese mutige und tapfere Frau wächst ins Unermessliche.
»Das Auto hat mich an die Grenze zu Algerien gebracht. Hohe Berge gibt es dort, und man hat mir gesagt, ich muss aufpassen, dass mich keine Soldaten finden, denn sie würden mich sofort erschießen. Dann habe ich noch einen Beutel mit Essen bekommen und eine Flasche Wasser. Ich hatte solche Angst, dass ich nur nachts gelaufen bin. Am Tag habe ich mich versteckt und mir die Richtung eingeprägt, aber ich habe nie gewusst, wohin ich gehe. Gegessen habe ich alles, was ich finden konnte, Käfer, Würmer, Kräuter, und wo immer ich Wasser fand, habe ich so viel getrunken, wie mein Körper aufnehmen konnte. Irgendwann kam ich in ein Dorf, dort habe ich mich versteckt und alles beobachtet. Es gab einen Laden dort, und der wurde beliefert. Man sprach Französisch, und so konnte ich den Fahrer belauschen, als er sich mit jemandem unterhielt. Sie haben über Marokko und die guten Tomaten und Früchte gesprochen und dass er jemanden kenne, mit dem er tauschen würde. In den nächsten Tagen würde er von hier Holz mitnehmen und bekäme dann im Gegenzug frische Lebensmittel, die er dann hierherbringen würde. Ich sah meine Chance und musste nur aufpassen, dass ich die Fuhre nicht verschlafe. Das
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