Zwei Mädels. Ein Weg. Ein Zelt.
vorläufiges Fax erfolgreich losjagen. Conny versorgt mich übergangsweise mit Schokolade und Cola und gibt ihre Taschenwache kurzweilig an Rochelle ab. Endlich mal wieder kurz deutsch sprechen!
Es ist nun schon Nachmittag und Ritas Arzt lobt den zweiten Gips und hält es für möglich, eine potentielle Operation erst in Kanada durchführen zu lassen. In mühsamer Kleinarbeit erstellt er weitere wichtige Formulare und Rezepte. Die arme Rita ist nervlich ziemlich fertig und wartet ihr künftiges Schicksal geduldig ab. Es müssen ja nur noch falsche Rezepte geändert, Krücken gekauft, zwei Hotelzimmer in einem Haus mit Fahrstuhl organisiert und das Rufen zweier Taxis veranlasst werden.
Die dankbare Rita hat Conny und mich nämlich auf eine Hotelnacht in Lugo eingeladen. Ein Glück, dass sie für die ärztliche Behandlung im Krankenhaus keinerlei Geld ausgeben muss. Zum Abend, gegen 19:00 Uhr, sitzen wir schlussendlich in den Taxen und nehmen Ziel auf das, soeben gebuchte, 3-Sterne-Hotel außerhalb des Ortszentrums. Gegen halb acht kommen wir in dem gepflegten Gasthaus an und verabreden uns zum Abendessen.
Zuerst beziehen wir unsere Zimmer und duschen ausgiebig. Conny und ich wohnen die kommende Nacht im Doppelzimmer mit Badewanne und Fernseher. Während ich Körperpflege betreibe, höre ich Cornelia im Zimmer lachen. Sie sieht sich eine spanische Sendung im TV an und amüsiert sich köstlich über die rapide sprechenden Schauspieler. Ich bin von dem harten Übersetzungstag total platt und versuche mental so richtig abzuschalten, während das heiße Duschwasser über meinen Rücken rinnt. Das Herunterkommen ist jedoch gar nicht so einfach. Wir beide haben heute kaum deutsch miteinander gesprochen und sind mittlerweile so wirr im Kopf, dass wir weiterhin auf Englisch miteinander kommunizieren.
Nachdem Conny ebenfalls in den Genuss der entspannenden Dusche gekommen ist, treffen wir uns mit Rochelle und Isabel zum Abendessen. Rita ist zu kaputt und freut sich auf ein wenig Privatsphäre und Einsamkeit. Wir Vier schlendern ins Restaurant und bestellen Cola, Wasser, Wein, Salat und spanische Tortillas. Die spanische Tortilla gilt, neben der Paella, als Nationalgericht. Es handelt sich um ein Omelett aus Ei, Kartoffeln und Zwiebeln, das durch die Zugabe etlicher Gemüsesorten ergänzt werden kann. Wie immer lassen es sich die Ladies nicht nehmen und laden uns ein. Das Essen geht heute auf die Kreditkarte von Rita, die darauf besteht, dass wir Vier uns von ihrem Geld so richtig satt essen. Schließlich gab es heute, bis auf den Frühstückstoast in Airexe und ein paar Stücken Schokolade, weiter noch nichts zu essen. Rochelle und Isabel wirken erleichtert und bedanken sich nochmals bei uns. Seit dem heutigen Tag sind wir ihre persönlichen „Camino-Angels“ — „Jakobsweg-Engel“ und sie beteuern, dass sie ohne unsere Hilfe große Schwierigkeiten gehabt hätten.
Jetzt wo alles soweit geklärt ist, können wir auch zum ersten Mal über die letzte Nacht schmunzeln. Schon verrückt, dass Rita hunderte Kilometer zu Fuß gewandert ist, ohne eine einzige Blase zu bekommen und dann einmal zu tief ins Glas schaut; sich auf einer superweichen Kinderrutsche amüsiert und sofort ihren Knöchel bricht. Ihre Familie wird sie damit noch jahrelang aufziehen, prophezeien die Schwestern lachend. Zurück in den Hotelräumlichkeiten, überreichen wir Rita die mitgebrachten Speisen und ich drücke ihr mein Handy in die Hand, damit sie mit ihrer Verwandtschaft telefonieren kann. Außerdem wird der weitere Ablauf besprochen. Morgen früh versucht Isabel für Rita den Rückflug zu organisieren und mit mir einen Krankenwagen zu bestellen, der sie zum 500 Kilometer entfernten Madrider Flughafen fahren soll. Rita drückt Conny und mir 100 Euro in die Hand und lässt keinerlei Widerrede unsererseits zu. Wir sollen von dem Geld die Mobiltelefonrechung begleichen und mit einem Taxi zurück auf den Jakobsweg fahren. Wir umarmen uns alle und wünschen einander eine gute Nacht. Cornelia und ich verschwinden in unserem Luxusreich und bestehen auf eine heiße Badewanne. Sowohl das Fernsehgerät als auch die Wanne braucht kein Mensch, aber nach dem heutigen Tag genehmigen wir uns den Luxus und fallen gegen 23:00 Uhr in die Hotelbetten. Unsere übereiligen Berechnungen in Bezug auf unsere potentielle Ankunft in Santiago sind mit dem heutigen Tage überflüssig geworden. Die Entscheidung einen Tag eher im Pilgerziel anzukommen, wurde uns einfach
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