Zwei Maenner fuer Miss Darcy
unbedingt beste Freunde – so ist es eben. Aber nach all der stickigen Luft in dem brechend vollen Haus bin selbst ich für die kühle, frische Luft dankbar, die mir um die Nase weht und meine Lungen füllt. Ich wende mich an Niall.
»Worum geht’s denn nun bei diesem großen Geheimnis?«, frage ich höflich und bemühe mich gleichzeitig, mein Haar in den Mantelkragen zu stopfen. Diese Zusammenkunft hier in Mollys Garten hat etwas absolut Geheimnisvolles. Dabei ist es wirklich eine Schande, dass Niall nicht besser aussieht, sonst hätte dieses heimliche Treffen mit einem Fremden unter freiem Himmel wirklich aufregend werden können.
Ich bremse mich. Ich muss damit aufhören, jeden sofort nach seinem Äußeren zu beurteilen – was ich mir leider angewöhnt habe, seitdem ich beim Goddess -Magazin arbeite. Mir ist klar, dass sich fast jeder schon nach den ersten Sekunden gleich eine Meinung über jemanden bildet. Aber wenn man wie ich in der Schönheitsbranche arbeitet, in der das äußere Erscheinungsbild alles ist, was zählt, wirkt diese Angewohnheit noch viel erschreckender.
Mal ganz abgesehen davon, dass es wirklich nicht Nialls Schuld ist, dass er, na ja, wie soll ich es auf nette Weise sagen … lassen Sie es mich so formulieren: Er ist eben kein Ölgemälde. Der schlichte graue Anzug, den er trägt, besteht aus einem einreihigen Jackett und einer Hose, kombiniert mit einem weißen Hemd und einer schlichten bordeauxfarbenen Krawatte – was man wohl kaum als eine sonderlich spannende Kombination bezeichnen kann. Niall selbst ist nur knapp über 1,70 m groß und recht schmal gebaut – okay, er ist spindeldürr. Dazu trägt er eine schlichte Brille mit silberner Fassung und hat welliges mausbraunes Haar, das zu einem akkuraten Kurzhaarschnitt frisiert ist – was insgesamt gesehen für einen jungen, aufstrebenden Anwalt aus Dublin ganz angemessen ist. Nach eingehender Betrachtung beschließe ich, dass er nicht wirklich hässlich ist, aber eben auch nicht attraktiv – er sieht eben … schlicht aus.
»Es handelt sich keineswegs um ein Geheimnis, Miss McCall«, erwidert Niall und reißt mich aus meinen Gedanken. »Ich muss lediglich einen Termin mit Ihnen vereinbaren, das ist alles.«
»Warum?«
»Um den letzten Willen Ihrer Tante zu verkünden.«
In dem Augenblick bin ich nicht ganz bei der Sache, da ich gerade verzweifelt versuche, mit meinen Louboutins nicht im weichen, matschigen Gras zu versinken. Denn nur weil ich sie noch brandneu bei eBay einer Frau abgekauft habe, die sie verkaufte, um die Hochzeit ihrer Tochter bezahlen zu können, heißt das nicht, dass ich mit ihnen den Garten umgraben will. »Molly hat ein Testament hinterlassen?«
»Ja, und ein recht vertracktes obendrein, wenn Sie mir diese Bemerkung erlauben. Sie wusste sehr genau, was mit ihrem Besitz geschehen sollte, als sie starb.«
»Ihrem Besitz?« Ich spitze die Ohren: Anwälte nehmen das Wort »Besitz« für gewöhnlich nur in den Mund, wenn es um eine ordentliche Geldsumme geht. »Meine Tante Molly hatte also ein paar Groschen im Sparstrumpf, sagen Sie?«, scherze ich und lächele Niall an.
»Bitte, Miss McCall«, rügt er mich und starrt mich finster über den Rand seiner Brille hinweg an. »Eine Testamentseröffnung ist eine ernste Angelegenheit, über die man keine Witze machen sollte.«
»Nein, natürlich nicht, Mr Kearney, ich … Ich meine natürlich Niall.« Ich versuche, einen ernsthaften und nüchternen Eindruck zu machen. »Wann findet die Testamentseröffnung statt?«
»Das hängt ganz von Ihnen ab, Miss McCall.« Wie zuvor drinnen schaut sich Niall wieder auf die gleiche verstohlene Art und Weise um. Während er dann den Kopf zu mir neigt, schweifen seine hellblauen Augen ein letztes Mal herum. »Denn«, fährt er so leise fort, dass ich Mühe habe, ihn zu verstehen, »ich bin erfreut, Ihnen mitteilen zu dürfen, Miss Darcy McCall, dass Sie die Alleinerbin von Miss Emmeline Ava Aisling McCalls gesamtem Besitz sind.«
2
I ch bin was ?« Ich rufe so laut, dass ein Rotkehlchen, das auf einem Stechpalmenstrauch in der Nähe sitzt und nach Futter sucht, verschreckt in einer Regenrinne Schutz sucht. Es beäugt uns vorsichtig und scheint darüber nachzudenken, ob die zwei Eindringlinge in seinem Garten möglicherweise eine Gefahr für seine winterliche Nahrungssuche darstellen.
Niall wedelt hektisch mit der Hand und bedeutet mir, leise zu sein. »Miss McCall«, zischt er. »Bitte! Wir wollen doch keine Aufmerksamkeit
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