Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwei Schwestern

Zwei Schwestern

Titel: Zwei Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
Vom Netzwerk:
erstiegen hatte, hatte ich wieder den blauen Blik des Sees unter mir. Ich stieg die Stufen hinunter, gelangte zu dem weißen Häuschen, sprach vor, und blieb eine Weile bei dem alten Manne, dem ich von Rikar erzählte. Endlich stieg ich die Schlucht gar hinab, kam zu dem Höllwässerlein, das, wo möglich, noch kleiner und dünner war, und kam zu dem Gerölle, das in den See hinein ragte, und an dem auch das Schifflein lag, das auf mich wartete.
    Ich stieg ein, und wir fuhren in die blaue säuselnde Fluth hinaus. Bald sah ich das gewaltige Gerölle nur mehr als ein kleines weißes Dreiek hinter mir, das an die dunkle Fläche des See's grenzte, und bald waren auch die ganzen Ufer hinter mir in eine einzige gestrekte gerade Linie versunken, während die weißen Punkte von Riva vor mir auftauchten.
     

4. Reiseziele
     
    In Riva kannten jezt sehr viele die Pflanzenanlage meines Freundes, wenn ich von dem Berge Sanct Gustav sprach.
    Ich hielt mich aber nicht mehr lange in Riva auf. Nur die Zeit verbrachte ich dort, die ich brauchte, um meine Sachen, welche ich in Rikar's Hause zum Geschenke erhalten hatte, sehr gut zu paken, und auf den Weg nach Treulust zu geben. Dann dachte ich auf die Weiterreise. Ich pakte meine Reisestüke aus den Laden des Wirthes in den Koffer, und bestellte auf den nächsten Morgen einen Plaz auf einem Schiffe, welches südwärts ging.
    Als dieser Morgen angebrochen war, und ich mit einem Manne, der mein Gepäke trug, gegen den See ging, kamen wir an einer Planke vorbei, über welche Weinlaub herüber ragte. Plözlich hörte ich eine Stimme, die mir bekannt schien, rufen: »Signore, Signore!«
    Ich wandte mich gegen die Stelle, woher die Stimme kam, und sah Gerardo's Lokenhaupt über die Bretter herüber schauen, zugleich sah ich ein nettes Häuschen in dem Garten stehen, das ganz mit Weinlaub umfaßt war, und große Fenster hatte. Bei einem dieser Fenster sah ein schönes Mädchen mit offenen feurigen Augen heraus.
    »Ich bin da,« rief Gerardo, »und das ist unser Garten und unser Haus, und das ist meine Schwester.«
    »So? das ist ja recht schön,« antwortete ich.
    »Signore, eure Flaschen sind noch da,« sagte er wieder.
    »Sind die Flaschen noch voll?« fragte ich.
    »Ei freilich,« antwortete er, »ich habe sie im Keller aufbewahrt.«
    »So trinke sie in meinem Namen aus,« sagte ich, »und die lee ren Flaschen wirf in den See. Deiner Schwester aber gib dieses kleine Goldstük, daß sie es sich aufhebe und sich meiner erinnere, wie ich mich deiner erinnern werde, weil du ein so guter fröhlicher Bursche bist.«
    »Ich danke, Signore,« rief er, »ich danke. Seid ihr noch immer in Riva? ich habe euch gesucht und nicht gefunden. Machen wir bald wieder eine Fahrt?«
    »Siehst du nicht,« sagte ich, »daß dieser Mann meine Reisesachen trägt? Wir gehen zu dem See, wo ein Schiff ist, das mich auf immer von Riva fort bringen wird.«
    »Auf immer?!« rief er, »nun so lebt recht wohl, Signore, lebt wohl, und nehmt unsern Dank mit.«
    »Lebt wohl und nehmt unsern Dank,« tönte jezt eine helle schmelzende silberklare Stimme. Es war die Schwester gewesen, die aus dem Fenster gerufen hatte.
    »Lebt auch ihr wohl,« sagte ich, winkte freundlich gegen das Fenster, und wir gingen weiter.
    Das waren die lezten Stimmen gewesen, die ich von Bekannten meines Aufenthaltes in dieser Gegend gehört hatte. Im nächsten Augenblike sah ich den Bord und die Stangen unseres Schiffes.
    Mir kam das Zusammenleben dieses Geschwisterpaares fast lieblich vor. Ich hatte nicht gefragt, ob auch noch eine Mutter, ein Vater, oder Beide, oder noch sonst Jemand in dem Häuschen wohne. Ich konnte mir nicht anders vorstellen, als daß nur diese zwei da wohnen, daß das Häuschen äußerst reinlich gehalten werde, daß sie mit ihrer silberklaren Stimme öfters singe, daß er sie gutmüthig behandle, und daß sie sehr glüklich zusammen seien.
    Ich bestieg mein Schiff, auf welchem ich lauter fremde Menschen antraf. Einen Stich gab es mir in das Herz, als ich unter den Waaren, die auf dem Schiffe lagen, auch zwei Ballen liegen sah, die Maria's Zeichen trugen.
    Ich gab dem Manne, der mein Gepäke getragen hatte, seinen Lohn, und er ging fort.
    In kurzer Zeit machte das Schiff, welches nur ein gewöhnliches Transportschiff war, sich von dem Ufer los, die Ruder fielen in das Wasser, klatschten in ihrem gewöhnlichen Takte fort, die weiße Häuserlinie von Riva und die Berge hinter ihr wichen allgemach zurük, immer mehr legte sich

Weitere Kostenlose Bücher